Hier sind vollständige Auszüge aus Albert Jahns Werk über den „Kanton Bern, deutscher Teil …“. Enthalten sind die kompletten Kapitel zu den Regionen, die mich besonders interessieren: die Gebiete rund um Thun, von Belp durchs Gürbetal, die Gemeinden am Nordufer des Thunersees sowie am Südufer um Spiez und die Ortschaften bis zum Eingang des Simmentals.
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Ich werde sicherlich nach und nach spezielle Stellen markieren.
Belp:
Die Umgebung von Belp (urk. 1228 kerpa -h). Das beim Einfluss der Gürbe in die Aare gelegene Schlosshofen (urk. 1273 Solliokon), wo noch heutzutage ein Flussübergang mittels einer Fähre stattfindet, wird von einigen aus dem keltischen «Sal» (Übergang) abgeleitet. Andere erklären den Namen als Seehofen von dem einstigen seeähnlichen Zustand des Belpmooses. Noch andere lassen den Ort Seelhofen geheissen haben, weil dort im Mittelalter ein Klösterlein samt einer Kapelle gestanden sei. In der Steingrube im Steinibach bei Belp wurden um 1840 uralte, eiserne Gerätschaften ausgegraben. Zwischen Belp und der Aare wurden um 1840 auf der sogenannten Hohliebe, einer als Kiesgrube benutzten Bank von Aaregeschieben, in schwärzlichen Erdschichten Reihengräber entdeckt. Die Gerippe, deren eines in einer Einfassung von Tuffsteinquadern lag, stammten sowohl von Erwachsenen als auch von Kindern; erstere hatten als Beigaben eiserne Schwerter und kupferne Schnallen.
Zwischen der Hohliebe und der Aare, gegenüber dem in altertümlicher Beziehung bemerkenswerten Klein-Höchstetten, liegt isoliert auf der weiten Fläche des Belpmooses der sogenannte Fahrhubel. Der Name verrät hinlänglich seine altertümliche Bestimmung zu einem Flusskastell, das den dortigen Aarübergang bewachen sollte. Auch wurde er vormals „Kastei“ genannt, und in alten Urkunden erscheint er unter dem Namen Castrum ad ripam Arolae, so dass er noch im frühen Mittelalter eine Befestigung getragen zu haben scheint. Die am nordöstlichen Höhrrand des Belpbergs (urk. 1249 volp- bei-F) gestandene Hochburg, nach welcher einige dortige Häuser Hohburg heissen, scheint ursprünglich von den Römern im Sinne ihrer Landesbefestigung als Hochwarte angelegt worden zu sein. Gleiches gilt von der alten Burg Belp, deren Ruine, unter Hohburg, auf einem Vorsprung am nördlichen Abhang des Berges liegt, und die im Mittelalter der Sitz der von Belp gewesen ist (urk. 1125–1127 Burkard von Belp, 1146 Kuckolphus de Golpo, 1162 Conradus de Kelpa, 1298 Castrum de Golpa und Castrum Belp, unter diesem Datum zerstört). Chronisten-Fabelei schrieb die Erbauung der Burg den Nuithonen zu!
Toffen:
Das Tal- und Berggelände am linken Gürbeufer. Toffen, welches urkundlich ziemlich früh (1148 «Tolken superior et inferior») und bisweilen als Toffen am See erscheint, weil vor Zeiten das Gürbetal grösstenteils See war, ist unstreitig eine römische Ansiedlung gewesen. Man entdeckte hier 1810 viel altes, 6–7 Fuss breites Gemäuer, bei welchem römische Münzen, z. B. ein Antoninus Pius in Silber, zum Vorschein kamen, und in neuerer Zeit soll man in einem hiesigen Gut auf einen Mosaikboden gestossen sein, was jedoch noch einer näheren Untersuchung bedarf. In der oberhalb des Dorfes am Abhang des Längenbergs im Walde befindlichen Tuffgrube kommen häufig inmitten des Tuffs Bruchstücke von Leistenziegeln vor, und zwar in der Tiefe von 30–40 und wohl noch tiefer; auch fand man hier schon römische Münzen, z. B. einen Antoninus Pius in Mittelerz. Ebendaselbst fand man 1811 folgende, in Tuff-Tropfstein, nicht in Torf, inkrustierte Gegenstände: einen ehernen Messergriff und auf demselben, gleichsam aufgestellt, einen länglichen Geröllstein, der an seinen drei Ecken abgerundet und mit einer polierten Abschnittsfläche versehen ist. Irrig hielt man diesen Stein für einen Schleifstein, der zum Anziehen der verlorenen Messerklinge gedient habe; denn der Stein sieht einem kleinen steinernen Streitkeil so ähnlich, wie ein Ei dem anderen. Nach einer älteren antiquarischen Unsitte, alles Altertümliche sofort auf Opfer u. dgl. zu beziehen, erklärte man das Messerheft für dasjenige eines Opfermessers; aus dem Heft wurde dann ein druidisches Opfermesser gemacht, und dieses vervielfältigte sich endlich zu Opfergerätschaften. Das Neueste, was man in der Tuffgrube aufgefunden hat, ist eine Urne gewesen, die in Form und Stoff (sie bestand aus schwarzer, körniger Erde) den Grabhügelurnen ähnlich war; sie wurde 1848 von Arbeitern gefunden, aber richtig zertrümmert. Eine ähnliche Urne soll übrigens schon 1811 in Begleitung der vorerwähnten Fundstücke zum Vorschein gekommen sein. Es unterliegt kaum einem Zweifel, dass die hiesigen Fundstücke, Urnen und Übriges, Grabaltertümer sind, da, nach einer schon anderswo bemerkten Sitte, Kelten und Römer Totenreste mit Beigaben gerne in grossen Tuffsteinlagern beizusetzen pflegten. Das hiesige ist ohne Zweifel schon von den Römern teilweise ausgebeutet worden, da der Tuffstein bei ihnen ein so beliebtes Baumaterial sowohl für Grab- als auch für Wohnstätten gewesen ist. Auch kommt der Name Toffen eher vom lateinischen «Tuffus», als vom deutschen Tuff, wofür bei uns in der Volkssprache «Dust» gebräuchlich ist. Schwer bleibt es dabei zu entscheiden, ob die Fragmente römischer Ziegel, welche in der Tuffgrube vorkommen, von zerstörten römischen Gräbern oder von römischen Gebäulichkeiten herrühren, welche, oberhalb der Tuffgrube gelegen, durch einen Erdsturz zerstört wurden, der allem Anschein nach einst auf dieser Seite des Längenbergs stattgefunden hat. Jedenfalls beweist ihr tiefes Vorkommen unter den Tuffschichten, dass seit der römischen Zeit starke Tuffbildung stattgefunden hat, wie sie noch jetzt fortdauert.
Bei Toffen bemerkt man übrigens noch Spuren einer uralten, in der Richtung von Rümligen hinziehenden Strasse. Ohne Zweifel ist diese Strassenstrecke ein Stück des Weges, der zur Römerzeit die weiter hinauf nachzuweisenden Ansiedlungen am linken Gürbeufer unter sich und mit dem unterwärts liegenden Gelände am linken Aarufer verband. Aus einem römischen Strassenkastell wird die mittelalterliche Burg Toffen erstanden sein (urk. 1306 Castrum de Toffen, vgl. 1294 de Toffen, Berner Bürger).
Zimmerwald, Mühleren, Hinterfultigen:
Oben auf dem Längenberg fehlt es auch nicht an Altertumsspuren. Einen Magnus Maximus in Kleinerz fand man bei Zimmerwald (urk. 1323 Zimmerwald). Die bis an ihre Burghügel spurlos verschwundenen Burgen von Mühleren und Englisberg oder Endlisberg scheinen ursprünglich als römische Warten unter sich und mit der Kramburg (urk. 1224 Heinr. de Cramburg miles) korrespondiert zu haben, welche diesen gegenüber auf dem südwestlichen Rande des Belpbergs stand und das ganze Gürbetal beherrschte. Dass erstere zwei Burgen die Stammsitze der von Mühleren (urk. 1294 de Mühleren, Berner Bürger) und der in Bern und Freiburg verburgerten von Endlisberg oder Englisberg (urk. 1228 Conr. de Endlisberg, 1240 Conr. de Endlisberg, 1240 Ulricus de Endlisberg) gewesen seien, wird deswegen bezweifelt, weil jene Geschlechter nicht mit adeliger Bezeichnung erscheinen. Dies kann uns aber gleichgültig sein, da das einstige Vorhandensein jener Burgen durch Lokaltradition und nachweisliche Burgställe verbürgt ist.
Beachtenswert sind die Sagen von hiesigen heidnischen Kultstätten. Als eine solche bezeichnet man einen vormals mit Eichen bewachsenen Hügel zwischen Zimmerwald und Mühleren, der demnach dem druidisch-keltischen Eichenkult geweiht gewesen wäre. Einen Heidentempel versetzt die Sage auf den sogenannten Immi-Hubel, einen konischen Waldhügel, der sich beim Dorfe Blaken (urk. 1148 Blaken) in einem Thälchen zwischen der Bütschelegg und der Anhöhe von Mühleren erhebt und, wie es heisst, eine überwachsene Ruine trägt. Da sich am südwestlichen Abhang dieses Hügels ein sehr bedeutendes Petrefaktenlager befindet, so kann sich an dieses seltsame Naturphänomen, wie es auch anderswo der Fall gewesen, leicht ein heidnischer Kult angeknüpft haben.
Eine nördlich vom Immi-Hubel am Bergabhang gelegene alte Scheuer heisst die Heidenscheuer, und es gehen von derselben allerlei Sagen beim Landvolk, welches auch die Zwerge des Längenbergs dort ihr Wesen treiben lässt. Kommt übrigens der Name des Immi-Hubels vom keltischen «Iomal», das ist: Grenze, so ist die Bergscheide, in welcher er liegt, eine Grenzabteilung und das dortige Heiligtum ein Grenzheiligtum gewesen. Der Name des am südöstlichen Abhang des Längenbergs gelegenen Dorfes Hermiswyl (Hermiswil?) lässt auf römisch-keltische Verehrung des Hermes oder Mercurius schliessen. Die modernisierende Verunstaltung des Namens in Hermannswyl ist wider die alte Schreibung, welche auf Hermiswyl lautet. Ungewiss ist es, was es mit einem Mühlstein auf der Bütschelegg für eine Bewandtnis hatte, der die Aufmerksamkeit früherer Altertumsforscher auf sich gezogen hat, von welchem man aber längst nichts mehr wissen will. Unwahrscheinlich genug wollte man denselben aus einer angeblichen Sitte der Römer erklären, wonach bei denselben aufrechtstehende Mühlsteine den Truppen Wegweiser gewesen seien, deren Loch die Richtung bezeichnet habe, in welcher Wasser zu finden sei.
Beim Örtchen Sydenberg an der Bütschelegg liegt, wie schon die Ansicht mitgibt und wie man im Pflügen merkt, altes Mauerwerk im Boden; nähere Untersuchung wird vielleicht auch hier auf Römerspuren führen. Wenigstens zeigen sich solche am südwestlichen Abhang des Längenbergs zu Rüeggisberg im öfteren Vorkommen von römischen Münzen. Dieselben sind gewöhnlich aus Gross- und Mittelerz, also aus den drei ersten Jahrhunderten. Vor ungefähr sechzig Jahren wurde z. B. auf dem dortigen Kirchhof ein Trajan in Grosserz (RS. Arabia adquisita) gefunden. Rüeggisberg (urk. 1076 Rüeggisberg, 1228 Rüeggisberg, prioratus et parochia) erscheint im Mittelalter als eine bedeutende geistliche Stiftung (ein Cluniacenserkloster – 1175 Monasterium beatorum apostolorum Petri et Pauli in Monte Rüeggisberg – stiftete dort 1076 Lüthold von Rümligen – nobilis vir Lütholdus de castello Rümlingen – die Kirche soll schon früher die Königin Bertha gestiftet haben), und wie fast alle solche Orte, so reicht also auch dieser in die vormittelalterliche Zeit hinauf; namentlich scheint die Kirche, wie es mit so mancher anderen unseres Kantons der Fall ist, einer Römerstätte überbaut worden zu sein.
Zu Hinterfultigen soll sich ein Erdhügel mit einem Gewölbe befinden, das heisst wohl: ein stark gewölbter Erdhügel, vermutlich ein Grabhügel. Die mittelalterliche Existenz einer längst verschwundenen Kirche zu Faltigen (urk. 1228 Faltigen, nicht etwa Uttigen) lässt auf frühen, wahrscheinlich vormittelalterlichen Anbau des Ortes schliessen, und der Name eines dortigen Hofes „Kästlifurren“ scheint die Stelle eines römischen Kastells zu verraten. Ob übrigens die Strasse, welche allem Anschein nach das westwärts vom Längenberg, jenseits des Schwarzwassers gelegene Gelände mit seinen Ansiedlungen mit dem hiesseitigen Berggelände und mit dem Gürbetal in Verbindung gesetzt hat, von Elisried (s. oben) nach Rüeggisberg gegangen sei, um bei Rümligen in die von Toffen talaufwärts führende Strasse zu fallen, oder ob sie in diese durch das Thälchen hinter Niggisberg, was wahrscheinlicher ist, eingemündet habe, muss in Ermangelung von Strassenspuren dahingestellt bleiben.
Rümligen:
Das am südöstlichen Abhang des Längenbergs gelegene Rümligen (urk. 1076 Rümlingen) beurkundet schon durch seinen Namen das einstige Vorhandensein einer römischen Niederlassung, da sämtliche Ortsnamen der Schweiz und des angrenzenden Deutschlands, in denen die Wurzeln Rom-, Nöm-, Rum-, Rüm- vorkommen, auf römisches Altertum zurückweisen. Dies bezeugen auch die hier gefundenen römischen Münzen, zu denen ein Trajan und ein Hadrian in Silber gehören. Umso weniger ist am römischen Ursprung der Burg Rümlingen (urk. 1076 Castellum Rümlingen) zu zweifeln, deren Stelle jetzt ein modernes Schloss einnimmt. Unzulässig ist es jedoch, deswegen an eine römische Abkunft der Herren von Rümligen (de castello Rümlingen, urk. 1076) zu denken, da diese nicht dem Ort den Namen gegeben, sondern von ihm denselben bekommen haben.
Merkwürdig ist in altertümlicher Beziehung auch das sogenannte Pfaffenloch unweit Gutbrunnen, in der Nähe des Schlosses von Rümligen. Es ist dies eine Sandsteinfelsenhöhle in der Gutbrünnenfluh, einer hohen und ausgedehnten Felswand, in welcher der Gebirgszug der Bütschelegg gegen das Gürbetal abfällt. Die Höhle hat einen sehr engen Eingang, durch den man in einen grottenartigen Raum gelangt, der nach innen durch einen aufrechtstehenden, das weitere Vordringen in die Höhle erschwerenden Steinpfeiler fast versperrt ist; sie ist voll Versteinerungen und soll sieben oder neun stufenartig angebrachte Gemächer haben und sich unter dem Längenberg bis Rüeggisberg fortziehen. Der Name gründet sich auf die Sage, dass hier der heilige Odilo von Cluny gewohnt habe, als er das Kloster Rüeggisberg einzuweihen herbeigerufen worden sei. Die Richtigkeit der Sage zugegeben, so ist dennoch diese Höhlenbildung nicht als eine künstliche, etwa des Mittelalters, zu erklären, sondern als eine natürliche, durch Zerklüftung und Ausspülung des Sandsteins entstandene. Es knüpft sich aber an diese Lokalität eine abergläubische Vorstellung, welche aus dem Heidentum stammt. Die Bauern lassen nämlich Bergmännchen oder Zwerglein hier ihr Wesen treiben, und sie wissen von ihrem Haushalt, und wie es so nett da drinnen sei, gar viel zu erzählen. So z. B. sollen die Zwerge im Pfaffenloch eine Kuh gehabt haben, welcher das zum Verzehren ausgeschnittene Fleisch stets nachwuchs. Dies ist nun ein Nest des keltischen Glaubens an untergeordnete Gottheiten, welchen die Berg- und Steinwelt als Dominium zugewiesen wurde, so dass man sie sich zugleich als gutartige, dem frommen Landmann bei seinen Verrichtungen im Felde und im Hause hilfreiche Wesen dachte, die von ihm wiederum gerne Nahrung und Kleidung annahmen, um reichlichen Ersatz dafür zu geben. Dieser beim Landvolk am Längenberg und Belpberg noch hier und da erhaltene Glaube mag sich an diese Lokalität umso eher angeknüpft haben, weil man die kleine Wunderwelt der Versteinerungen dem Berg- und Steinvölkchen zuschrieb. Hat es mit der sagenhaften Ableitung des Namens der Höhle seine Nichtigkeit, so mag der heilige Odilo die Höhle zu seinem zeitweiligen Aufenthalt gemacht haben, um diesen heidnischen Glauben zu tilgen. Sonst könnte man vermuten, die natürliche oder durch Kunst erweiterte Felsenhöhle habe zur Ausübung eines heidnischen Höhlenkults gedient und sei nach heidnischen Priestern desselben benannt worden.
Thurnen, Riggisberg:
Zu Wühler Thurnen (Thurnen, urk. 1228 Thurnes, auch Illornon, urk. 1201 Rudolphus de Thurnon) hat man eiserne Schwerter ausgegraben. Bei der grossen Zahl von Spuren römischer Ansiedlung im Gürbetal verdient der einstige Standort der mittelalterlichen Burg Schöneck (urk. 1252 Ulrich de Schöneck) beim Dorfe Ober-Schöneck, unfern von Thurnen, insofern Beachtung, als sie zu den ursprünglich römischen Burgen des Gürbetals gehört haben dürfte. Ihre Stelle hat eine Bauernwohnung eingenommen.
Im Seitental hinter Riggisberg, dessen mittelalterlicher Burgstall (urk. 1182 Albertus de Riggisberg, 1230 S. de Riggisberg) die Stelle eines römischen Strassenkastells zu bezeichnen scheint, liegt ein Dörfchen, das im Muri heisst, und ein nahes Gehöft mit dem Namen: im Muriboden. Diese von Muri, das ist: Mauern, genommenen Ortsnamen verraten hier, wie überall, wo sie vorkommen, uralte, römische Mauerreste. Auch sind hier solche in Menge im Boden vorhanden. Aus denselben hat man in neuerer Zeit Säulenfragmente und ein Sockel hervorgezogen. Diese architektonischen Stücke, von welchen die Fragmente 5″ Durchmesser bei unvollkommener Rundung haben, sind zwar roh, aber aus Süsswasserkalk, einer nur in der nördlichen Schweiz und selten vorkommenden Steinart, gearbeitet. Bei einem nahen Örtchen, das am Stutz heisst, fand man bei altem Gemäuer eine bronzene Gürtelschnalle. Da bei Riggisberg in solcher Nähe Römerspuren vorkommen, so wird es umso wahrscheinlicher, dass die mittelalterliche Burg Riggisberg, an deren Stelle ein modernes Schloss steht, aus der Römerzeit herrührt.
Burgistein:
Das Schloss Burgistein, im Mittelalter ein Sitz der nach ihm benannten Ritter (angeblich um 1260 erbaut durch den ersten Burgisteiner, Jordan von Thun, vgl. 1282 Theod. de Burgistein, miles), reicht, wie die meisten Ritterburgen unseres Landes, in die römische Zeit hinauf. Den römischen Ursprung der Burg beweist sowohl der Name selbst, als auch das dortige Vorkommen von römischen Münzen. Was den Namen betrifft, so ist es eine vielfach beobachtete Tatsache, dass sämtliche Burgen, die mit Stein einfach oder zusammengesetzt benannt sind, römischen Ursprung haben, indem sie schon von den germanischen Eroberern als befestigte Plätze angetroffen und nach ihrer von den gewöhnlichen Holzbauten verschiedenen Bauart in Stein benannt worden sind. Wie bei vielen also benannten Burgen Funde römischer Altertümer den römischen Ursprung beweisen, so ist es auch mit Burgistein der Fall. Römische Münzen sind in der nächsten Umgebung des Schlosses schon öfter gefunden worden, z. B. ein Trajan und ein Antoninus Pius, und jüngst noch, 1847, fand man eine wohlerhaltene Goldmünze des Nero (RS. Concordia Augusti) auf einem unfern vom Schloss, in der Burgistein-Allmend gelegenen Hügel, welcher der Standhubel heisst und seinem Namen nach wahrscheinlich eine Statio, das heisst: ein vorgeschobener Wachtposten, gewesen ist, zumal da auf der östlichen Seite des Hügels Spuren eines Walles vorhanden sind. Die Vorteile, welche der Standpunkt der Burg zur militärischen Bewachung des Landes darbot, konnten dem römischen Scharfblick nicht entgehen; der hohe Felshügel der Burg beherrscht nämlich sowohl das Gelände des Thunersees, als auch landabwärts das Gürbetal. Lässt sich sonst von unseren Ritterburgen ziemlich selten durch Nachweisung von römischen Bauresten oder von Altertumsfundstücken dartun, dass sie römischen Ursprung haben, und ist dieser meist nur approximativ zu beweisen, indem man darauf hinweist, dass sich ihre Entstehung nur dann genügend erklärt, wenn man sie sich ursprünglich als Kastelle oder Warten im Sinne der römischen Landesbefestigung angelegt denkt; so ist dagegen bei Burgistein, wo Münzfunde als Beweise des römischen Altertums vorliegen, an der ursprünglichen Bestimmung der Burg zu einer Hochwarte umso weniger zu zweifeln, und es setzt jene Tatsache auch den Ursprung unserer übrigen mittelalterlichen Burgen in ein helleres Licht.
Eine Spur selbst des höchsten keltischen Altertums in dieser Gegend weist eine kleine Serpentin-Art, welche denjenigen der brasilianischen Wilden auffallend ähnelt und 1846 in der Grossmatt unterhalb dem Ebnit bei Burgistein, am Saum eines Feldes unter Ackersteinen gefunden wurde. Noch ist bei Burgistein anzumerken, dass in seinen Umgebungen sogenannte Heideneisen, die auch sonst im Gürbetal hier und da vorkommen, gefunden werden, wie auch, dass im nahen Dörfchen Schöneck und im oberen Elöschen ein sogenanntes Heidenhaus vorkommt, von welchem letzteres, ein zerfallenes, zu einem Ofenhaus benutztes Gebäude, einen ausgetrockneten Ochsenkopf, als heidnische Reliquie, unter dem Dachgiebel aufgehängt bewahrte.
Wattenwil:
Heidenhäuser kommen wiederum bei Wattenwil (vacki Villa, das ist: Ort auf trockenem Seeboden, urk. 1300 Wattenwil) vor, von welchen wenigstens eines, das in der Guinnren liegt, früherhin einen Ochsenkopf auszuweisen hatte. Bei anderen ist in Erinnerung an den einst in Natur vorhanden gewesenen und als Ersatz desselben ein Ochsenkopf an der alten hölzernen Grundlage ausgehalten, und es gilt derselbe als ein Abwender von Feuer und Blitz. Hiesige Altertumsfundstücke, welche ihrerseits das uralte Bewohntsein des Ortes ebenfalls beweisen, sind folgende: ein rohes, kupfernes Scheibchen von 2″ Durchmesser, mit erhabener, durchgetriebener Arbeit und mit Spuren von Vergoldung, wahrscheinlich ein Brust- oder Gürtelzierrat; ein bronzener Löffel von nicht moderner Form, 4″ lang; ein Fragment eines eisernen Schlüssels. Die zwei ersten Stücke wurden ziemlich tief im Boden, das erste beim Entwurzeln eines Baumes gefunden. Je älter Wattenwil ist, desto mehr verdient Beachtung die vom Pfarrhaus eingenommene Lokalität der alten Tiefburg dieses Ortes und der Name eines zur Kirchgemeinde Wattenwil gehörigen Hofes, welcher Heidbühl heisst; er liegt in der Kirchgemeinde-Abteilung: Rain-Drittel.
Selbst bei dem zuhinterst im Gürbetal gelegenen Blumenstein gehen die Spuren höheren Altertums noch nicht aus. Ein hölzernes Haus im Dorfe, unfern vom Wirtshaus, hat einen steinernen Unterbau, welcher die Heidenmauer heisst. Ein bei dem Pfarrhausgarten isoliert liegender, runder Hügel von 6′ Höhe, vielleicht ein Brandgrabhügel, zeigte bei zufälligem Angraben Spuren eines alten Brandes: glasierte Steine und verbrannte, mürbe Nägel. Zum System der römischen Kastelle und Warten mag ursprünglich auch der Burgturm gehört haben, der, im Mittelalter der Sitz der von Blumenstein, dann ein Besitz der von Raron, auf einem steilen Felsen, links am Fallbach, weit ins Land hinausschaute. Es schloss derselbe die Reihe der Burgen, welche in gewissen Distanzen auf der Westseite des Gürbetals landaufwärts angelegt waren, als da sind die Burgen: Toffen, Rümligen, Ober-Schöneck, Riggisberg, Burgistein und Wattenwil.
Nach Sagen und Ortsbenennungen muss übrigens die hiesige Gegend weit höher hinauf bewohnt gewesen sein, als jetzt. Ein Dorf, namens Buchschwand, soll oben am Berg gestanden und 800 Einwohner gezählt haben; auch trägt eine dortige Höhe den Namen der Wirtner Kirche. Wahrscheinlich beruhen diese Sagen auf Überlieferungen von Wohnsitzen der durch die germanischen Eroberer zurückgedrängten römisch-helvetischen Talbewohner. Jedenfalls rühren die am Gurnigel zerstreut oder beisammen gefundenen Silbermünzen von Flüchtlingen her, die in den drangvollen Zeiten der späteren römischen Kaiserzeit sich bergwärts geflüchtet haben. Die zerstreut gefundenen Münzen gehörten meist den beiden ersten Jahrhunderten an, und es kamen darunter vor: ein Domitianus, ein Nerva, ein Trajanus und ein Hadrianus. Ein Sammelfund von 2 goldenen und 48–50 silbernen Münzen, die in einem roten Gefäss unter einer Tannenwurzel lagen, wurde um 1770 von einigen Holzfällern gemacht. Die eine der goldenen war eine äusserst seltene, fast medaillonartige Matidia (VS. Diva Matidia, NS. Concordia), die andere ein Hadrian; die silbernen bildeten eine Serie von Nero bis auf Postumus, zu dessen Zeiten um 209 dieser kleine Schatz bei einer der damaligen germanischen Invasionen hier mag verborgen worden sein. Der Gurnigel selbst (alt: Gornigel, Hornigel) scheint übrigens seinen Namen von den Römern erhalten zu haben. Das Wort Gurnigel ist nämlich aus dem Lateinischen: Corniculum entstanden, und das kleine Horn hiess der Berg passend im Gegensatz zum benachbarten grossen Stockhorn. Doch wäre es auch möglich, dass die Mönche von Rüeggisberg den Namen aufgebracht hätten.
Ehe wir das Gebiet der Gürbe verlassen, sind hier noch einige Punkte im Gelände am rechten Gürbeufer anzumerken.
Gelterfingen (heute Kirchdorf):
Bei Gelterfingen, an der südlichen Berglehne des Belpberges, entdeckte man vor einigen Jahren bei Strassenarbeiten und bei Anlegung einer Griengrube Reihengräber, zum Teil mit Steinsärgen aus Granitplatten. Früher hatte man an der gleichen Lokalität bei Feldarbeiten Gegenstände von altem, verrosteten Eisen, z. B. ein Schwert, gefunden. Eine am Abhang, unterhalb der Strasse, ausgeführte Nachgrabung förderte ein Gerippe zu Tage, welches, den Kopf nach Osten gekehrt, mit einer Lage von Feldsteinen bedeckt war, aber keine Beigaben hatte. Seither ist hier ein Messer mit bronzenem Heft und eiserner Klinge, nebst Beisteckgabel, zum Vorschein gekommen. Das nahe Hofstetten deutet, wie sämtliche Orte, die mit -stetten bezeichnet werden, durch seinen Namen auf uralte Ansiedlung, die übrigens auch aus dem Umstand erhellt, dass hier ebenfalls Zwergensagen einheimisch sind. Der Name Burgscheren, welchen eine hiesige Feldgemarkung trägt, bezieht sich auf die nahe Kramburg, rührt aber aus der mittelalterlichen Zeit der Burg her, deren römisches Altertum wir oben darzuthun versucht haben.
Gurzelen:
Bei Unter-Gurzelen entdeckte man 1842 auf der Mittagseite eines südlich vom Dorfe gelegenen Waldhügels, dicht am Waldsaum, in blosser Erde, ein Furchengrab von 6′ Länge, mit einem ziemlich gut erhaltenen jugendlichen Gerippe. Bei demselben lagen folgende bronzene Beigaben: zwei flache, 2″ lange Stäbchen, die in der Mitte und an beiden Enden einen Ring bilden; ein Drahting von 2″ Durchmesser; Bruchstücke von zwei zerbrochenen Hohlblech-Armringen mit getriebener Arbeit, im Durchmesser 1″, 8′» und 2″, 3′»; zwei Platte, radförmig durchbrochene Scheibchen mit sechzehn Speichen, deren je zwei immer näher beisammenstehen, mit einem hohlen Buckel in der Mitte, umgeben von frei anliegenden platten Kreisen (Durchmesser 2″ 4′»). Von diesen Kreisen ist der eine auf der Vorderseite mit achtzehn, auf der Rückseite mit neunzehn Disken verziert, der andere mit siebzehn und neunzehn; die Scheibchen aber tragen deren sechzehn an den Speichenenden, acht im Umkreis des Buckels und auf diesem selbst sieben. Die letztbemerkten Stücke sind Gürtelhaften, wie sie in keltischen Gräbern bisweilen vorkommen; das Rad ist ein Sonnensymbol, und die Disken haben teils solarische, teils planetarische Bedeutung. Wie die Form und Verzierung der zwei letzten Stücke, so weist auch das blosse Vorkommen von Bronzearbeit, ohne Begleitung von Eisenarbeit, sämtliche Fundgegenstände dem kelto-helvetischen Altertum zu. Weitere Nachgrabungen an der Stelle haben nichts zu Tage gefördert. Menschliche Gerippe, jedoch ohne Beigaben und in blosser Erde, entdeckte man beim Graben eines Kellers zu Ober-Gurzelen. Sie lassen auf einen heidnischen Totenacker schliessen. Uralte Ansiedlung in dieser Gegend bezeugt auch der einstige Bestand von zwei Burgen. Die Trümmer der einen liegen auf einem Waldhügel bei Unter-Gurzelen; im späteren Mittelalter war sie der Sitz der Edlen von Bennwyl (urk. 1228, Lurcaräus de Bennwyl); in alten Schriften heisst es, sie liege oben am Thurnen-See, was die bei Toffen gemachte Bemerkung über die ehemalige Beschaffenheit des Gürbetals bestätigt. Die andere, von welcher noch um die Mitte des vorigen Jahrhunderts Rudera vorhanden waren, lag im Dorf Ober-Gurzelen und soll den Namen zum Thurm gehabt haben; die nächste Umgebung heisst noch die Burg. Wahrscheinlich bezieht sich auf diese Lokalität folgendes Urkundliche von 1253: «Mansum situm in Gurzelen et turrim ibidem». Beide Burgen, von welchen besonders die erstere das Gürbetal beherrschte und mit den am linken Gürbeufer gelegenen korrespondierte, sind, wie jene, in ihrer Uranlage wahrscheinlich römische Kastelle gewesen. Gleiches gilt von der einstigen Burg des nahen Seftigen (urk. 1253 Seftigen, 1259 Dir. de Seftingen, 1273 Seftingen Edelsitz). Ausserdem ist am nördlichen Abhang der südlich von Unter-Gurzelen gelegenen Anhöhe ein Stück Mauer eines uralten Rundbaues von 6′ Dicke aufgefunden, aber ununtersucht ausgebrochen worden, so dass es ungewiss bleibt, ob diese Rudera von einer Kapelle, welche zu Gurzelen gestanden haben soll, oder von einem vormittelalterlichen Bau herrühren. Jedenfalls bezieht sich auf römische Rudera der Name „Murimatt“, welchen zwei Häuser der Kirchgemeinde Gurzelen, Abteilung Seftigen, tragen.
Forst:
Eine Landstrecke unterhalb dem Dörfchen Forst, gegenüber Wattenwil, heisst die Wart, eine andere das Kriegsried, welche Benennungen auf keinerlei historisch bekannte kriegerische Vorfälle in dieser Gegend bezogen werden können. Vergleicht man, was oben über den sogenannten Standhubel bei Burgistein vorkommt, so wird es wahrscheinlich, dass diese Namen auf einer verschollenen Sage aus der Zeit der germanischen Landeseroberung beruhen. Die Burg Dittligen, deren Ruine beim Dorf und See gleichen Namens liegt, soll zwar im zwölften Jahrhundert erbaut worden sein; wahrscheinlich stand aber hier schon eine römische Burg, welche die im Gürbetal nachgewiesenen Burgen mit den im Hügelgelände von Amsoldingen anzumerkenden verbunden hat. Bisweilen verwechselt man Dittlingen mit dem Nachbarort Hattigen oder Hattligen und nennt die Burg Hattligen. Das zuoberst im Gürbetal, am rechten Ufer des Flüsschens Blumenstein gegenüber gelegene Örtchen Reckenbühl scheint durch seinen Namen eine der ältesten germanischen Ansiedlungen zu verraten, wenn man nicht lieber das in diesem Namen enthaltene Wort Recken, als gleichbedeutend mit Hünen, das ist: Riesen, auf eine vorgermanische, keltische Ansiedlung beziehen will.
Aus allem, was wir vom Gebiet der Gürbe angemerkt haben, geht deutlich hervor, dass diese Gegend in der römisch-helvetischen Zeit zahlreiche Ansiedlungen, eine Strasse und verschiedene feste Punkte hatte und schon von den Kelto-Helvetiern bewohnt gewesen ist. Es fällt somit die schon früher mit Recht bekämpfte Ansicht ganz dahin, nach welcher diese Gegend lediglich ein Aufenthalt von wilden Tieren gewesen oder höchstens von streifenden Jägern besucht worden ist. Dessen ungeachtet wird man sich wohl hüten, mit einem französischen Gelehrten in den Namen Gürbe, Gurzelen, Gurnigel eine Beziehung auf den Namen des althelvetischen Gaues der Tiguriner suchen zu wollen, die übrigens ebenderselbe, ebenso irrig, auch im Namen Guggisberg finden wollte.
Uttigen:
Auf der Ostseite des Belpberges, unterhalb des höchsten Punktes „auf der Harzeren,» sind bei dem Örtchen im Wyler vor mehreren Jahren alte Quaderstein-Grundmauern ausgegraben worden; bei denselben fand man mehrere mittelalterliche Gegenstände: einige Silbermünzen, ein Spiesseisen und ein bronzenes Kreuz. Diese schon im Mittelalter verschwundene Örtlichkeit, deren Name schon eine alte Ansiedlung beurkundet, hat die Voraussetzung vormittelalterlichen Ursprungs für sich. Weiter aufwärts an der Aare machen wir aufmerksam auf die Burgen von Jaberg und Uttigen (1301, Uttingen), von welchen erstere an der Stelle eines auf Burg genannten Hofes auf einer Anhöhe bei dem Dörfchen Jaberg gestanden ist, letztere aber im Mittelalter ein Hauptbesitz der Herren von Kramburg (1301, Castrum in Uttingen, vergl. 1294, H. de Uttingen, Berner Bürger) und zum Teil noch wohlerhalten, durch den drei bis vier Jucharten betragenden Umfang ihrer unregelmässig viereckigen Ringmauer, wie durch die Festigkeit des teilweise 16 dicken Gemäuers sich auszeichnet. Es ist nämlich klar, dass die ursprüngliche Bestimmung dieser aus aussichtsreichen Aaruferhügeln gelegenen Burgen (ausgezeichnet ist besonders die Lage der Burg Uttigen auf der steilen Uttigenfluh) keine andere als die Bewachung des linken Aarufers gewesen sein kann. Diese Bestimmung kann aber bloss aus dem System einer Landesbefestigung erklärt werden, wie sie von den Römern überall hergestellt wurde. Den römischen Ursprung der Burg von Uttigen macht der Umstand noch wahrscheinlicher, dass die Ruine einer benachbarten Burg, die mit jener korrespondierte, notorisch römisches Altertum ausweist. Es ist die Ruine des Heidbühls bei Uetendorf, von welcher weiter unten das Nähere. Eine silberne römische Familienmünze der Gens Junia (VS. Brutus) ist kürzlich beim Limpachbad, zwischen dem Heidbühl und Uttigen, gefunden worden. In den die Burg Uttigen betreffenden Urkunden wird zuweilen zugleich einer Stadt Meldung getan, und von Jaberg meldet die Sage Ähnliches. Bei Uttigen scheint sich dieselbe grösstenteils auf jenen weiten Raum innerhalb der Ringmauer beschränkt zu haben und in der letzten Zeit der Römerherrschaft entstanden zu sein, wo selbst die grössten Städte in Wehrplätze verwandelt wurden und die bedrängte Population des offenen Landes innerhalb der festen Plätze Schutz suchen musste. Unhaltbar ist die Ableitung des Namens von Uttigen, wonach derselbe aus dem Keltischen herstammen und einen fruchtbaren Ort bezeichnen soll.
Steffisburg und Heimberg:
Hier sind folgende Punkte bemerkenswert: Erstens das gegen die Thunerstrasse bei der Dornhalde steil abfallende Plateau der Nieder-Enfluh, wo ein grabhügelartig gehöckertes Terrain vorkommt; zweitens der gegen die Aare hinaus auf der sogenannten Weissenfluh gelegene Ort Thungschneit, dessen Name das keltische Dun als unverkennbaren Bestandteil zur Bezeichnung der Ortslage enthält; drittens die Lokalität einer in der Kirchgemeinde Steffisburg befindlichen Häusergruppe, deren Name im Muri auf das Vorhandensein römischer Ruinen hinweist; viertens der Kirchhügel von Steffisburg (1299 Stevensburg), einst ein Burghügel, auf dem im Mittelalter die Herren des Ortes residierten (1133 Zololk. de Stevensburg). Dieser dürfte jedoch, ebenso wie der Burgstall von Bach (891 in loco Bach, 1252 Lerebli de rivo inilos) und die Erhebung im Heimberg (1146 sur-euräus de Koimbero), bereits in römischer Zeit eine militärische Bedeutung besessen haben.
Letzterer scheint das Thun nächstgelegene Kastell an der Thunerstrasse gewesen zu sein und zugleich als Stützpunkt für die beiden erstgenannten gedient zu haben, welche als vorgeschobene Posten das Gelände von Steffisburg und Schwarzenegg bewachten. Zudem befand sich in Steffisburg ein Mallus „uff der von Kien Hoffstatt.“ Bei Schwarzenegg (1274 Swenagg) wurde kürzlich ein antikes Hufeisen in der Sulg ausgegraben.
Thun, vor allem Allmend, Allmendingen, Scherzligen:
Ehe wir hier die Punkte nachweisen, welche auf und an dem ganzen Höhenzug von Uetendorf bis Einigen und am Seegestade von Spiez bis zur Weissenau zu bemerken sind, ist das linke Aarufer bei Thun und die Thuner-Allmend ins Auge zu fassen, wobei wir in Bezug auf Thun selbst auf die Darstellung des rechten Seeufers verweisen. Im Allgemeinen ist hier vorweg zu bemerken, dass in den vielen Spuren keltischen und römischen Altertums, welche das hiesige Seegelände ausweist, der Eingangs aufgestellte Satz von der ursprünglichen Verbreitung der keltischen Population und der späteren römischen eine neue Bestätigung erhält.
Scherzligen, Thuns ursprüngliche Pfarrkirche und nächst derjenigen von Einigen die älteste des Oberlandes, auch ein ansehnlicher Wallfahrtsort, erscheint unter dem Namen Scherzlingen schon 763, da Heddo, Bischof von Strassburg, die Kirche (basilica) dem Kloster Ettenheim vergabte (vgl. urk. 1228, Scherzlingen). Dies alles verbürgt die frühere Bedeutsamkeit des Ortes, und der urkundliche Name, in welchem das altdeutsche Scharren, das ist: Begräbnisort, unverkennbar ist, lässt auf eine Totenstätte schliessen, die jedenfalls viel älter sein muss, als die adeligen Gräber in der dortigen Kirche, und die vielleicht sogar in die vormittelalterliche Zeit hinaufreicht. Übrigens beginnt auf dieser Seite des Seegeländes mit Scherzligen die Reihe der geistlichen Stiftungen, welche in demselben schon früh und zahlreich erscheinend auf uralten Anbau der Gegend von vornherein schliessen lassen.
Bedeutende Überreste römischen Altertums hat man beim Dorfe Allmendingen entdeckt, welches unfern vom alten Kanderbett und vom Kanderholz auf der Thuner-Allmend liegt. Der Entdeckungsort ist eine von der Strasse nach Amsoldingen rechts abliegende Wiese, eine der sogenannten Alchenmatten, von welcher die Sage ging, es sei vor Alters daselbst eine Kapelle gestanden, und es werde dort ein Schatz „gesonnet“. Nachdem beim Umpflügen früher schon der Kopf eines männlichen, fast lebensgrossen Steinbildes und ein kleinerer, faustgrosser Kopf mit einer phrygischen Mütze, nebst Bruchstücken von architektonischen Verzierungen zum Vorschein gekommen waren, unternahm man 1824 und 1825 Ausgrabungen, welche ein bedeutendes Ergebnis hatten. Es wurden vorerst die Fundamente von fünf kleinen Gebäuden entdeckt, die in schiefer Richtung von Norden nach Westen echelonsweise gestellt, und mit einer fetten Thonerde ausgefüllt und bedeckt waren, welche einst die von Zeit zu Zeit in ihrem Lauf durch die untere Thuner-Allmend austretende Kander dergestalt darein ergossen hatte, dass der nördliche Teil der Wiese einen ungefähr 4′ hohen Hügel bildete. Die Fundamente, 6–7″ gegen die Oberfläche mit Erde bedeckt, waren 4′ hoch und 1½‘ dick aus Kieselsteinen aufgeführt, mit Ecken von gehauenen Tuffsteinen; der gut erhaltene Verputz war im nördlichsten Gebäude rot, in den übrigen weiss. Unter den Fundamenten zeigte sich, 4′ tief, die Thonerde und erst dann der Kies des verweltlichen Seebettes.
Der gänzliche Mangel an steinernen Pfeilern, das Vorhandensein einer Menge von Hohl- und Leistenziegeln und das Vorkommen vieler eiserner Nägel jeglicher Grösse, die zum Teil in die Ziegel eingerostet waren, liessen erkennen, dass die Gebäude mit Ziegeln bedeckt gewesen, die auf hölzerne und von hölzernen Pfeilern getragene Dachung aufgenagelt waren. Die Hohlziegel waren 110″ lang und 7″ weit, die Leistenziegel 19″ lang und 13″ breit. Das nördlichst gelegene Gebäude hatte 8′ im Gevierte; das zweite war 18′ lang und 14′ breit; die zwei folgenden waren die kleinsten und hatten nur 7′ im Gevierte; das fünfte und westlichste hatte 10′ in der Länge, 8′ in der Breite, und in diesem war der Länge nach eine steinerne Bank, 2′ hoch und 2′ breit, angebracht. Um die Gebäude selbst fand man mehrere Feuerstellen und überall verbrannte Erde, viele Kohlen, Menschengebeine und eine Menge verrostetes Eisenwerk, auch einen Hirschschädel mit dem Geweih, das gegen die Mitte abgebrochen, aber noch gut erhalten war. Rechts, etwa 5′ hinter dem zweiten Gebäude, stand auf einem runden, 4′ hohen, gemauerten Gestell ein ovales Becken von Granit mit 4″ breitem Rande, das oben mit dem Rand 2′, 3½» im Durchmesser und 5″ Tiefe hatte; in der Mitte war ein 6″ weites, rundes Loch, das durch den gemauerten Fuss 8½» tief in die Erde ging. Westlich von den Gebäuden fand man einen Fussboden von Ziegeln, am nördlichen Ende desselben zwei aufeinander gelegte Platten von Granit, die untere, grössere 5′ lang, breit und 9″ dick, die obere, kleinere 3½‘ lang, 2½‘ breit, 9″ dick; auf der Mitte dieser Platte stand ein viereckiger, mit Gestell versehener Stein, 22″ hoch, 19″ breit und 15″ dick, aber ohne Inschrift; es scheint ein Altar gewesen zu sein.
In und um die Gebäude fanden sich nun folgende Antiquitäten vor: in Stein, und zwar in milchweissem Kalkstein von dem nahen Stockhorngebirge: allerhand architektonische Verzierungen, unter anderem einige diskusartige, eines von zwei gegeneinander gekehrten S, eines von zwei voneinander gekehrten gewundenen Hörnern und ein Zierrat, welcher der altfränkischen Lilie ähnlich ist, Bruchstücke eines fast lebensgrossen, männlichen Bildes, als: eine linke Brust, zwei Stücke Oberarm, ein Stück Vorderarm, eine linke Hand, einen achteckigen Stab haltend, zu welchen Fragmenten der oben erwähnte Kopf gehörte, zwei jugendlich-männliche, gelockte Köpfe mit phrygischen Mützen, faustgross und gut gearbeitet, hinten mit einem Ansteckloch, zwei Basreliefs, auf dem einen ein Ochse mit abgebrochenem Kopf und Hinterteil, vom Hals, um welchen ein Strick hängt, bis zum Schwanz 7″ lang und bei den Vorderfüssen 7½» hoch, auf dem anderen Bruchstücke eines Schweines in der nämlichen Grösse; in gebrannter Erde: hohle und flache Ziegel, wie oben bemerkt, von welchen ein Stück die mit links laufenden Buchstaben gesetzte Stempelinschrift: Saräa trägt; zwölf stark gebauchte Töpfe von röthlicher Erde, im Bauch weiter als hoch, meist von folgenden Dimensionen: die Öffnung 2″ weit, der Bauch 2″, 9½» weit, der Fuss 1″ weit, die Höhe 2″, 5½»; in Glas: mehrere kleine, runde Flaschen von blassgrünem Glas mit kugelrunden Bäuchen und langen, dünnen Hälsen, im Ganzen 3½» hoch, der Hals allein 1″, 8′» hoch und 6′» weit, der Bauch 2″, 5½» breit; in Metall und zwar in Bronze: ein zierlich gegossener weiblicher Kopf mit prächtigem Haargeflecht, wahrscheinlich eine Diana, nicht, wie man meinte, eine Faustina, vom Kinn bis zum Scheitel 3″, 6½» hoch, und mit hohlen Augenöffnungen; sechs kleine, insignienartige Opferbeilchen mit den Inschriften: IOVI, LUNARIS, MERCURIUS, MARS. Die Buchstaben charakterisieren sich durch schöne, an den Enden punktierte Formen, wie sie auf Münzen aus der Zeit Cäsars und Augustus vorkommen; die Beilchen bestehen in einem Dreieck, dessen eine Seite die Schneide ausmacht, während vom entgegenstehenden Winkel der Stiel ausläuft, der zuerst gegen das Dreieck gebogen, weiter abwärts gerade läuft und in einem Knopf endet; die Mitte des Dreiecks trägt ein mit den Seiten desselben paralleles Dreieckrelief. Hierzu kamen einige Haften, wovon eine Platte einen Hasen vorstellt und mit Agat eingelegt ist; zwei Glöcklein ohne Schwengel, in der Grösse der Nürnberger-Kinderglöcklein; mehrere Ringe; gegen 1200 kupferne, meist schlecht erhaltene Münzen in allen Grössen und silberne von verschiedenen Grössen, die von der Zeit des Augustus bis auf die der Constantine reichen.
Da der Hügel, welcher die Gebäude zum Teil bedeckte, sich in eine anstossende Wiese erstreckte, so grub man auch dort nach, und es fanden sich hier folgende Altertumsreste vor: ausser mehreren Münzen ein hohler, bronzener Fuss mit Krallen; ein Stück eines stählernen Spiegels; Bruchstücke eines gelben, gläsernen Gefässes und eine grosse Menge Hirschgeweihe von beträchtlicher Grösse. Ohne Zweifel rührten dieselben von geopferten Hirschen her; einem geopferten Hirschen gehörte auch der in einem der Gebäude gefundene Hirschschädel, und es sind diese Gebäude, wie aus verschiedenen, im Obigen enthaltenen Anzeigen erhellt, ebenso viele Opferstätten gewesen, in welchen ein gemischter Kult stattfand, wobei der des Mithras und der Diana vorherrschte. Auf Mithras-Kult lassen die Kopfbilder mit phrygischer Mütze, das Basreliefbild des Ochsen und des Schweines, auf den der Diana die vielen Reste von Hirschopfern und das Kopfbild der Göttin schliessen. Übrigens ist diese Kultstätte nicht eine reinrömische, sondern eine römisch-keltische gewesen, wie aus der Berücksichtigung der Alstris und Nastronis in Alstribus und Lintoni (8) hervorgeht, welche römisch-keltische Göttinnen mit den keltischen Feen identisch sind. Übrigens sind in einer auffallenden, zwischen Buchholz und Allmendingen befindlichen, quadratischen Erhöhung Anzeichen vorhanden, dass sich unfern von der Allmendingen-Ansiedlung noch eine andere auf der Thuner-Allmend befunden habe. Diese Fläche, welche in der Vorwelt, allen Anzeichen nach, Seebett gewesen, muss übrigens, wie die hier gefundenen Altertümer beweisen, schon im Anfang der christlichen Zeitrechnung bewohnbar gewesen sein.
Buchholz, Schoren, «Renzenbühl»:
Dort liegt zwischen den Dörfern Buchholz und Schorren (urk. 1252, Scorron) der Renzenbühl, eine mehrere hundert Schritte lange, dachähnlich erhöhte Erdzunge, die aus Kies und grossen Nollsteinen besteht und von Nordwesten, wo sie an eine niedrige Hügelreihe sich anschliesst, nach Südosten sich erstreckt, wo sie in eine moosige Fläche abfällt, welche einst als See das kleine Landvorgebirge zu einem wirklichen Seevorgebirge machte. Bis an den südöstlich gelegenen Teil ist der Hügel waldbewachsen.
Als im Jahr 1829 die Südostspitze der Landzunge zum Behuf des Kiesführens abgegraben wurde, entdeckte man ein Grab, das in der Richtung von Osten nach Westen aus unbehauenen Steinen, ohne Mörtelverbindung, angelegt und mit Steinplatten bedeckt war. In diesem Grabe, welches 6′ lang und 3′ breit war, befanden sich die Gebeine eines männlichen Körpers und mehrere Gegenstände aus Erz, nämlich ein Teil eines diademähnlichen Erzbleches, zwei Haarnadeln, sechs verschieden geformte Ringe, unter anderem zwei Halsringe, ein Gürtelhaken, die Spitze eines Wurfspiesses, ein Prachtexemplar eines Streitmeissels, der auf beiden Seiten mit einer Doppelreihe von viereckigen Goldstiften und gegen die Schneide hin mit punzierten, parallelen Wellenlinien verziert ist und Überreste eines gewobenen, wollenen Futterals an sich trägt.
Ebendaselbst wurde 1830 beim Erweitern der Kiesgrube ein zweites Grab entdeckt, welches, nebst den Gebeinen eines menschlichen Körpers, einen Dolch mit Scheibchen am Griff und einige andere Gegenstände aus Erz enthielt. Was von Ornamenten an diesen und den vorerwähnten Fundstücken vorkommt, besteht meist in punziertem Strichwerk von einfachen Zickzacks oder von Parallelen, die in spitzigen oder geraden Winkeln zusammenfallen. Sämtliche Waffenstücke haben das Eigentümliche, was überhaupt an den keltischen Waffen bemerklich ist, dass die Griffe kurz und für eine heutige Mannsfaust fast untauglich sind.
Im Jahr 1846 entdeckte man an der inzwischen weiter abgegrabenen Südostspitze des Renzenbühls ein drittes Grab. Dasselbe befand sich unter den Wurzeln einer grossen Eiche, war beim Umsturz des unterhöhlten Baumes samt dem Gerippe und seiner rohen Steineinfassung ausgerissen worden und schwebte so überhängend, zwischen den Wurzeln eingeklemmt. An den Arm- und Beinröhren trug das Gerippe vier vollgegossene, schön gearbeitete Ringe; zwei dünnere hatten eine Vorrichtung zum Schliessen; die anderen waren an den gegeneinander gebogenen Enden geschlossen, und der eine von diesen, grösser als der andere, war in der Rundung unverziert, aber an den Enden in der Form einer Kanonenmündung gereift; der kleinere trug in der Rundung neunzehn wellenförmige, durch je zwei Parallelen ausgeschiedene Knäufe. Ausserdem fand man bei dem Gerippe Scherbchen eines dünn gearbeiteten und leicht gebrannten Gefässes aus schwarzer Erde. Die Form, Arbeit und Verzierung der Bronzefundstücke, der gänzliche Mangel an eisernen Beigaben und die Bestattungsweise selbst weisen die Gräber des Renzenbühls dem keltisch-helvetischen Altertum zu. Der im ersten Grabe Bestattete scheint sogar ein kelto-helvetischer Häuptling oder doch ein angesehener Krieger gewesen zu sein. Nachgrabungen, die gleichzeitig mit der Entdeckung des dritten Grabes stattfanden, haben übrigens ermittelt, dass noch eine Strecke südwärts des bewaldeten Teiles des Hügelrückens, in seiner Länge, etwa 6′ tief, zwei parallele Mauern, etwa 2′ voneinander abstehend, in Form eines Ofens sich hinziehen. Die Fugen der trocken gemauerten Steine, wie der Zwischenraum zwischen beiden Mauern, waren mit einer weisslichen Materie angefüllt, welche wie kalzinierte und pulverisierte Gebeine aussah. Wahrscheinlich war hier in keltisch-helvetischer Zeit eine Ustrina, das heisst: eine Vorrichtung zum Leichenverbrennen, angebracht gewesen, und es hatten hier neben Begräbnissen auch Bestattungen mit Verbrennung stattgefunden. Spuren von keltisch-helvetischem Steinkult haben sich am Renzenbühl in Resten der rohesten keltischen Töpferware erhalten, welche 1845 in der Humusbedeckung eines an der Ostseite befindlichen erratischen Blockes samt einigem Steinbild-Schnitzwerk aufgefunden worden sind.
Zahlreiche Spuren des römischen und noch mehr des keltisch-helvetischen Altertums zeigt die Hügelreihe von Uetendorf, Thierachern, Amsoldingen und Zwieselberg, welche in einem Bogen von Nordwesten nach Südosten, hier parallel begleitet von der Strättliger-Hügelreihe, westlich und südwestlich die Thun-Allmend ganz und das linke Seeufer am Nordwestende umschliesst.
Uetendorf:
Rudera einer römischen Burg trägt der Heidenbühl oder Heidbühl, ein urkundlich und in der Volkssprache so genannter Waldhügel, der an der nordwestlichen Verlängerung vorbemerkter Hügelreihe, zwischen Uetendorf und Uttigen, links an der Strasse nach letzterem Orte und auf der Ostseite des Glütschbaches liegt; er hält 500 Schritte im Umfang, nämlich bis da, wo die Strasse vom Eichberg den Hügel durchschneidet und in die Uttigerstrasse fällt. Dieser Hügel beherrscht die ganze Gegend und wurde wahrscheinlich deswegen von den Römern zur Anlegung eines Kastells benutzt. Beinahe ringsum lief eine Mauer, und auf dem Hügel standen mehrere ansehnliche Gebäude. Römische Bauart verraten die Grundmauern der verschütteten und überwachsenen Innenräume der Ruine. Die durch Ausgrabungen blossgelegten Teile bestehen nämlich aus parallelogrammatisch behauenen Granit-, Kiesel- und Tuffsteinen. Die ausgebrochene Erde ist voll von Bruchstücken römischer Ziegel und von Scherben römisch-keltischer Töpferware der verschiedensten Stoffe und Formen; mitunter zeigen sich auch Bruchstücke von Gefässen aus echter römischer Siegelerde. Auf der südöstlichen Seite des Hügels wurde vor ungefähr zwanzig Jahren beim Ausreuten eines Zaunes ein gepflasterter Weg aufgedeckt; zugleich fand man viel Eisengerät, darunter eine Schaufel von der Form der Kaminschaufeln, eine Kupfermünze von Augustus und einige Gegenstände von Bronze. Auf der Nordseite des Hügels fand man beim Fällen einer grossen Tanne unter den Wurzeln derselben einen dreifachen, an einem Ring befestigten Eisenhaken, an dem der Aufhänghaken länger und grösser als die zwei anderen und von Rost fast unversehrt war. In einer nordöstlich vom Heidbühl, nahe am Glütschbach gelegenen Wiese lagen bis vor Kurzem die Fundamente von zwei Gebäuden, welche als Dependenz zum befestigten Hügel gehörten. Bei denselben fand man zwei Eselhufeisen mit hohen Stollen. Nachgrabungen, die vor 1830 stattfanden, förderten nichts zu Tage, als Schutt von Gemäuer, Bruchstücke von Hohl- und Leistenziegeln. Seither ist 1848 das eine der Fundamente ausgegraben worden; es bildete ein regelmässiges Viereck und war in derjenigen Bauart aufgeführt, welche die Römer opus incertum, das heisst: eine nicht aus gehauenen Quadersteinen, sondern aus Bruch- und Kieselsteinen bestehende, nannten. Bei dieser Gelegenheit fand man ebenfalls Bruchstücke von Leistenziegeln, zudem viele eiserne Nägel, einige Eseleisen und Reste von roher Töpferware, dabei auch einige Gefässscherben aus Siegelerde mit eingedrückten Halbmond- und Kreisornamenten. Nebenan fand man bei Erweiterung eines Wassergrabens einen massiven, bronzenen Ring mit einem an der äusseren Rundung angesetzten runden Gehäuse, wie bei einem grossen Siegelring.
Thierachern und Umgegend:
Zu Uetendorf (urk. 995 Uetendorf, 1271 Uetendorf) zeigten sich zu verschiedenen Malen alte Waffen und eine Menge Menschengebeine. Zu Thierachern, dessen Kirche König Rudolf II. von Burgund schon im zehnten Jahrhundert gestiftet haben soll (urk. 994 Thierachern, 1300 Thierachern), wurden auf dem sogenannten Inselgiebel, einem mit Reben bepflanzten Hügel, schon öfters alte Waffen, Messer und Ringe ausgegraben. In einem grossen, natürlichen Kieshügel, durchschnitten von einer Kiesgrube, durch welche der Weg von Thierachern nach der Mühlematt führt, fand man 1847 bei Erdarbeiten an der aussichtsreichen, östlichen, zum Teil mit Gebüsch bewachsenen Seite des Hügels, ungefähr 6′ tief, in einer Lage Sand und mit Steinen umgeben, ein wohlerhaltenes, mit dem Kopf nach Sonnenaufgang gekehrtes Gerippe. Bei demselben lagen folgende bronzene Mitgaben: erstens ein ungefähr 1½‘ langer sogenannter Nadeldolch, oben mit einem grossen Knopf, an der Seite mit einem kleinen Öhr; zweitens ein von dem Finder als Messer bezeichnetes Instrument, welches aber nach der Beschreibung nichts anderes gewesen ist, als ein Dolch, wie sie in keltischen Gräbern bisweilen vorkommen, nur mit dem Unterschied, dass das hier gefundene Exemplar einen viereckigen, nicht einen runden Griff hatte; drittens wurden sechs kleinere Nadeln gefunden, welche vermutlich eine Art Kleiderhaften gewesen sind. Sämtliche Fundstücke gingen leider für die Wissenschaft verloren! In der Nähe der Fundstelle befindet sich ein gewaltiger erratischer Block. Nach der Wahl des Bestattungsortes, nach der Art und Weise der Bestattung und nach den Beigaben zu schliessen, barg dieses Grab einen Kelto-Helvetier aus dem vorrömischen Zeitalter. Aus der ältesten römisch-helvetischen Zeit stammte dagegen ein Grab, welches man vor etwa achtzig Jahren im Garten des Egg-Gutes bei Thierachern entdeckt hat, als dort ein mit Gestrüpp bewachsener Hügel verebnet wurde. Es lagen darin mehrere, dem Sonnenaufgang zugekehrte Menschengerippe mit Halsbandkorallen und zwei massiven Bronzearmringen, welche in der Dicke ¾», im Durchmesser 5″ betrugen. Ausserdem fand man bei denselben zwei römische Münzen; die eine, in Mittelerz, war vom Rost zerfressen und unkenntlich; die andere, in Grosserz, trug die Köpfe Cäsars und Augustus, mit der Rückschrift C. I. V., das ist Colonia Julia Victrix oder Vienna. Noch verdient bemerkt zu werden, dass an der Haltenrainfluh bei Thierachern vor ungefähr fünfzig Jahren ein grosser, eiserner Ring, an einer Mauer befestigt, gefunden worden ist, welcher Fund die Vorstellung hervorrief, als seien an diesem Ring vor Zeiten, da die Ebene noch See war, die Schiffe angebunden worden. Wir werden aber später sehen, dass solche Ringe hier und da als alte Grenz- und Markzeichen vorkommen. Übrigens erscheinen zu Thierachern wieder einige sogenannte Heidenhäuser, das heisst – nach der Erklärung verständiger Leute des Dorfes – Häuser, in deren steinernem Unterbau Partien vorkommen, die aus der heidnischen Zeit herrühren. Ob der Name Entenried, welchen ein Hof in der Kirchgemeinde Thierachern, Abteilung Uetendorf, trägt, von Enten oder von den Enten der altgermanischen Sage, das heisst: Eingeborenen keltischen Stammes, herkomme, wagen wir nicht zu entscheiden. Jedenfalls aber beurkundet der Name des benachbarten Dorfes Walen, welches dem vorbeifliessenden Walenbach den Namen gegeben hat, das einstige Vorhandensein einer hiesigen römisch-keltischen Ansiedlung. Zu Uebeschi grub man 1826 an einem Hügel zwei Menschengerippe aus; Beigaben fanden sich folgende vor: eine eiserne Schwertklinge und zwei bronzene Hohlblechringe mit einem Kern von grauem, harten Ton; der eine trug Spuren von grobem Leinzeug. Ebendaselbst fand man 1847, in einer Matte im Dorf, nahe bei einem Granitblock, eine altkeltische Goldmünze mit rätselhaftem Gepräge. Am Uebeschi-See stand im Mittelalter eine Burg, der Sitz der Herren des Ortes (urk. 1248 G. de Uebeschi miles). Bei der Nähe der Römerspuren in Amsoldingen ist römischer Ursprung der Burg zu vermuten.
Amsoldingen:
Amsoldingen hatte im Mittelalter eine Burg der Edlen des Ortes und eine von der burgundischen Königin Bertha um 933 zu Ehre des h. Mauritius gestiftete Probstei von Augustiner-Chorherren; urkundlich wird der Ort Ansoltingen genannt (1228 Ansoltingen capitulum et parochia und verschrieben Ansoltingen unter den prepositure et capitula canonicorum secularium), worin das Wort Oltingen, altbewohnter Platz, unverkennbar ist. Amsoldingen zeichnet sich durch seine römischen Steinschriften aus, deren es mehr auszuweisen hat, als der ganze übrige Kanton zusammen, wobei die hiesigen zugleich die interessantesten sind.
Es sind drei Grabstein-Inschriften. Von diesen sind zwei an zwei der vier Steinpfeiler eingemauert, welche das Kreuzgewölbe einer unter dem Chor der Kirche befindlichen, in gotischem Stile gebauten Krypta oder unterirdischen Kapelle tragen. Lange wusste man nichts von dem Dasein dieser Grabsteine; neu entdeckt wurden sie 1816, als jener zum Pfarrkeller benutzte unterirdische Raum gesäubert und durch Fenster erhellt wurde. Wahrscheinlich sind sie schon beim Kirchenbau auf Ort und Stelle gefunden und als Bausteine, vielleicht mit Absicht, verwendet worden. Wie nämlich überhaupt von den germanischen Eindringlingen die durch Fruchtbarkeit und Schönheit der Lage ausgezeichneten römischen Ansiedlungen zu ihren Wohnsitzen ausersehen worden sind, so geschah dies auch von Seite der Geistlichkeit des frühen Mittelalters, und es setzte dieselbe dabei einen Triumph darein, auf heidnischen Wohn- und Kultstätten und aus ihren Überresten Klöster, Kirchen und Kapellen zu errichten, wie ausser Amsoldingen noch andere Kirchen unseres Kantons auf römischen Trümmerstätten gebaut oder von solchen dicht umgeben sind. Der dritte Grabstein war schon 1806, beim Abbrechen des ehemaligen baufälligen Chorherrenhauses, in der Tiefe des Kellers gefunden worden, und ist im Schlossgarten aufgestellt. Wie die anderen zwei Grabsteine, ist auch dieser aus dem milchweissen Kalkstein gearbeitet, welcher die Stockhornkette bildet; er ist 2½‘ hoch und 1½‘ breit, und aus den Schriftzügen des ziemlich gut erhaltenen Monuments zu schliessen, rührt dasselbe vom Ende des ersten Jahrhunderts oder doch vom Anfang des zweiten her. Seine nicht besonders gut erhaltene Inschrift lautet nach der genauesten Abschrift also: V. M. PUSINNAE VIXIT ANNIS XXXII VXOR VIXIT ANNIS XX PERVINCUS PATRONUS POSUIT. Es geht hieraus soviel hervor, dass dieser Grabstein einer Römer-Helvetierin Pusinna von ihrem Patrone Pervincus gesetzt worden ist. Eine ältere Deutung beruht auf einer falschen Abschrift und entbehrt so jeglichen Grundes. Einer Römer-Helvetierin gleichen Namens ist der eine der zwei vorerwähnten Grabsteine gesetzt. Hier seine gut erhaltene, rührend sprechende Inschrift: D. M. IVLIAE PVSINNAE VXORI CARIssIMAE CASTIssIMAE PIENTIssIMAE QVAE VIXIT ANNIS XVIII ET DIEBVS III PVBLICVS ACILIVS THESAEVS MARITVS CARIssIMVS POSVIT. Das ist: „den göttlichen Manen der Julia Pusinna, der geliebtesten, keuschen und frommsten Ehegattin, welche achtzehn Jahre und vier Tage gelebt, hat Publius Acilius Thesaeus, ihr gleichfalls geliebtester Ehegemahl, diesen Grabstein setzen lassen.» Eine Pusinna hat als Priesterin des vergötterten Augustus dem Jupiter einen Votivstein errichtet, der zu Vincy in der Waadt gefunden worden ist. Acilius ist ein in Gallien üblicher Vorname; der Geschlechtsname Thesaeus verrät aber einen Griechen.
Ein solcher, und zwar ein kleinasiatischer, kommt auch auf der dritten Inschrift vor, welche, wie die oben angeführte, nach den schönen Buchstaben zu urteilen, nicht einer späteren Zeit als die ersterwähnte angehört, aber nicht dem Stein selbst eingegraben, sondern einem weissen Mörtelüberzug eingeschnitten worden ist, als derselbe noch weich war; sie besteht, bis an die abgebrochenen Zeilenanfänge guterhalten, aus zwei Stücken, von welchen das eine verkehrt eingemauert ist, und lautet mit den nötigen Ergänzungen folgendermassen:
«…VUIU. UXVV8 xun^xvirik’LX eokkOkGUMXizii II6XVXIU0- UVW(X)kV0 L080MI OiMI8M)0XOKIKV8 kVXOIV8!I (0VI)VIXI7 XXX08 …M)7 0 XUUU.lO 7XVU 0^(7)11,10 LIV8V7L1 ^11718^(7)7 0011701118 VVI VIXI7j!(X)M08 X77X718 XXXIIIH»
Das ist: „(Hier ruht) Amillius Polynices, gebürtig aus Lydien, seiner Kunst ein Goldarbeiter, von der Zunft der Zimmerleute, bei denselben in allen Ehrenämtern gestanden, welcher… Jahre gelebt hat. Und dem Quintus Amilius Taulus, seinem Sohne, derselben Kunst und Zunft, welcher dreiunddreissig Jahre gelebt hat.» Das Ungefügige dieser Inschrift erklärt sich am besten so, wenn man annimmt, der dem Vater gesetzte Stein sei für den Sohn erst später benutzt worden. Es ist aber diese Inschrift in kulturhistorischer Beziehung höchst wichtig. Erstens gibt sie ein auffallendes Beispiel von der hauptsächlich durch die Verlegung der Legionen herbeigeführten Vermischung der Völker des römischen Kaiserreichs, indem ein Lyder hier in diesem entlegenen Winkel Helvetiens erscheint. Zweitens lernen wir aus derselben, dass in der Blütezeit der römischen Herrschaft in Helvetien selbst entlegenere Gegenden Lurus hatten, dass somit der Reichtum an Gold, wie die Vorliebe für Goldschmuck, welche den Kelto-Helvetiern von den Alten zugeschrieben werden, bei den Römer-Helvetiern noch nicht verschwunden waren. Drittens bestätigt diese Inschrift, was auch aus anderen römisch-helvetischen Inschriften hervorgeht, dass im römischen Helvetien bereits Zünfte existierten, indem Polynices und sein Sohn Taulus, als Goldschmiede, der Gilde der Zimmerleute zugeteilt erscheinen. Ohne Zweifel geschah dies aber aus dem Grunde, weil diese zwei, da sie in ihrem Gewerbe in dieser Gegend allein dastanden und keine Zunft für sich bilden konnten, um doch einer anzugehören, sich derjenigen der Zimmerleute angeschlossen hatten. Diese musste aber zahlreiche Genossen haben, da das Zimmermannshandwerk sehr stark betrieben wurde, indem in jenen Zeiten der Holzbau vorwiegend war. Pflegten doch bei uns selbst die bürgerlichen römischen Gebäulichkeiten, mit Ausnahme des Unterbaus, aus Holz ausgeführt zu werden. Die angedeuteten Zunft-Ehrenämter mögen diejenigen eines Vorsitzers, eines Seckelmeisters und eines Zunftschreibers gewesen sein, wie sie bei den modernen Zünften bestehen. Überhaupt sind die Amsoldinger-Leichensteine insofern merkwürdig, als sie die äussersten Grenzsteine der römischen Zivilisation und bürgerlichen Ansiedlung der Römer gegen das Oberland hin darstellen; denn über Amsoldingen hinauf findet sich keine Spur bürgerlicher römischer Denkmäler, und was sich von wahrscheinlich römischen Niederlassungen weiter landaufwärts noch vorfindet, ist wesentlich militärischer Art gewesen und diente ursprünglich zur Bewältigung der Alpenbewohner, die man sich gewöhnlich irrig als eine fortwährend unbezwungen gebliebene Population vorstellt.
Jedenfalls ist aber Amsoldingen nicht das erste Kastell gegen die Alpen gewesen, wie man vermuten wollte; doch mag die hiesige bürgerliche Ansiedlung, auf die wir nach den Monumenten schliessen, einen festen Posten zur Bedeckung gehabt haben, und aus diesem die Burg hervorgegangen sein, welche nach den Ortsnamen: auf der Burg, im Burgbühl zu schliessen, auf den Höfen bei Amsoldingen gestanden ist. Endlich berechtigt uns die aus diesen Monumenten erhellende Bedeutsamkeit der hiesigen römischen Niederlassung zur Annahme, dass die bei Toffen nachgewiesene römische Strasse durch das Gürbetal sich jedenfalls bis in die hiesige Gegend erstreckt und dieselbe mit dem Unterland in Verbindung gesetzt habe. In Bezug auf die Vermutung, wonach eine direktere Strasse von Aventicum her über Elisried ins obere Gürbetal und hierher geführt hat, verweisen wir auf das bei Rüeggisberg Angemerkte. Einen Kommunikationsweg hat man sich ausserdem zwischen Amsoldingen, Allmendingen und Thun (s. unten) zu denken. Auffallen muss es nun freilich, dass ausser jenen Grabsteinen sich bis jetzt fast gar keine Spur des hiesigen Aufenthalts der Römer gezeigt hat. Von Münzen ist nur ein wohlerhaltener silberner Hadrian, im Pfrundacker 1829 gefunden, zum Vorschein gekommen; denn diejenigen Münzen, welche man vor Längerem bei der Mühle in einem Holzblock gefunden hat, sind kaum römische gewesen. Reste römischer Gebäulichkeiten hat man bis jetzt nicht entdeckt. Was von solchen vorhanden gewesen ist, mag beim Bau des Chorherrenstifts und der Kirche verbaut oder doch überbaut worden sein. Auf dem Kirchhofe und auf einem südlich anstossenden Hügel stösst man zwar beim Graben auf alte, feste Mauern, und an ersterem Orte auf Gewölbe; es scheinen aber dieselben, wenigstens zum Teil, der Zeit des Chorherrenstifts anzugehören, zumal sowohl im Schloss als unter der Kirche vermauerte Türen unterirdischer Gänge vorkommen, die miteinander in Verbindung gestanden haben müssen. Doch dürfte in diesen unterirdischen Räumen selbst am ehesten noch etwas von verbauten römischen Bau- und Denksteinen zu finden sein. Figuren von gebranntem Ton, die man vor Längerem in dem Hügel beim Kirchhofe gefunden hat, rühren vielleicht noch eher aus der römischen Zeit her, als Totengerippe, welche, ohne eine Spur von Beigaben, an der Südostseite desselben vor drei Jahren entdeckt worden sind. Die zwischen Amsoldingen und Stocken auf einem nahen Hügel gelegene und noch in ihren Trümmern sehr feste Doppelburg, Jagdburg oder Jagdberg, nach der Sage im Mittelalter ein Jagdschloss der Grafen von Kyburg, zuverlässiger aber ein Besitz der Herren von Blankenburg, ist von der einstigen Burg Amsoldingen ungefähr gleich weit entfernt gewesen, wie diese von der Burg Uebeschi und letztere von der Burg Dittligen; sie scheint demnach, wie jene Burgen, zu einem System römischer Kastelle zu gehören, welche das hiesige Hügelgelände bedeckten und deren äusserstes Glied wir auf dem Glütschhügel, dem südlichen Endpunkte des Zwieselbergs, nachweisen werden.
Zwieselberg:
An die Römer-Spuren zu Amsoldingen reihen sich die Spuren keltisch-helvetischen Altertums, welche der Zwieselberg ausweist, das ist: der vorgebirgsähnliche, südöstliche Ausläufer der Hügelreihe, auf welcher Thierachern und Amsoldingen liegen; westlich ist derselbe von der Reutiger-Allmend begrenzt, südlich fällt er in die Fläche bei Glütsch ab, und östlich trennt ihn von der parallelen Strätliger-Hügelreihe ein schmaler und tiefer Talgrund, den jetzt nur der Glütschbach durchstiesst, durch welchen aber einst die wilde Kander sich in die Ebene der Thun-Allmend ergoss, bevor sie, 1714, mittels eines künstlichen Durchstichs des Strätliger-Hügels in den Thunersee abgeleitet worden ist.
Die sichere Lage dieses Vorgebirgsterrains ist der Grund gewesen, warum sich auch hier, wie auf so vielen Vorgebirgen, die Kelto-Helvetier angesiedelt haben. Hinlängliche Beweise hiesiger kelto-helvetischer Ansiedlung geben die Grabaltertümer des Zwieselberges. Am südöstlichen Abhang desselben, an der Strasse von Glütsch nach Amsoldingen, stiess man im Jahr 1846 auf dem Bühl bei Abgrabung eines Strassenbordes, inmitten eines kleinen, natürlichen oder künstlichen, Hügels, auf Menschenskelette, und fand zwei keltische Spiralarmbänder von Bronze, von welchen das eine, vollständig erhalten, aus acht Ringen besteht, während von dem anderen, beim Ausgraben zerbrochenen, nur vier Ringe vorhanden sind; zugleich fand man noch zwei Hälften von zwei grossen bronzenen Halsringen.
Ungefähr vierzig Schritte weiter oberhalb der Strasse, im sogenannten Oberen-Gute, wurde 1848 beim Graben einer Wasserleitung ein ähnlicher Hügel durchstochen, in welchem man, 4½‘ tief, zwei, an kleinen Öhren und einem Haken zusammenhängende bronzene Knöpfe gefunden hat, in welchen beiden silberne Plättchen, mit Zickzack-Ornamenten in Relief, mit geschliffenen Knopfkrystallen eingefasst sind – zu welchem Gebrauche, bleibt dahingestellt. Zu den altertümlichen Fundstücken des Zwieselberges gehört auch ein ziemlich kleiner, eiserner Sporn mit kurzem Stachel.
Eine Viertelstunde westlich am Zwieselberg hinauf, in den Mädern, ist nach der bestimmten Aussage der Bauern ein Pflaster im Boden vorhanden. Ortskundige Altertumskenner glauben übrigens, in der Richtung des Kandergrundes oder des alten Kanderbettes dürften hier und da Reste der Vorzeit aufzufinden sein.
Sehr beachtenswert ist der felsige, waldbewachsene Hügelausläufer des Zwieselberges. Hinter dem Strättliger-Burghügel und von diesem einst durch die Kander, seit 1714 nur durch den Kandergrund getrennt, erhebt sich derselbe aus der Fläche bei der Glütsch hoch über die Thun-Siebenthal-Strasse; er heisst das Bürgli. Es befand sich nämlich einst auf dem Felshügel eine kleine Burg, und noch sieht man ihre mit Wald und Gebüsch wild überwachsenen Überreste: ein Quadrat von ungemein dicken Grundmauern, vermutlich die Fundamente eines Turmes, und westlich von der Ruine, auf der Landseite, zwei tiefe Wallgräben, von denen der erstere, näher bei der Burg gelegene, sich bis auf die Reutigen-Allmend hinunter erstreckt. Über Ursprung, Besitzer und Zerstörung der Burg ist nicht die mindeste Nachricht auf uns gekommen; ja, nicht einmal der eigentliche Name, den sie getragen, ist zu ermitteln. In der Umgegend wird sie, wie der Burghügel selbst, schlechtweg das Bürgli oder die Burg genannt; eine ältere Benennung, „der Spitzenberg», scheint nicht sowohl die Burg, als den Burghügel, als einen Ausläufer des Zwieselberges, zu bezeichnen. Man hat in diesen mysteriösen Ruinen das alte Strättligen vermuten wollen. Möglich, dass die Strättliger ursprünglich in dieser Burg gehaust haben, bevor sie auf dem gegenüberliegenden Hügel ihren Sitz gründeten.
Gewisser aber ist es, und durch altertümliche Fundstücke erwiesen, dass dieser die ganze Umgegend beherrschende Felsenschopf schon in vormittelalterlichen Zeiten als fester Platz benutzt worden ist. Vor einigen Jahren fand man nämlich auf diesem Hügel, nahe bei der Ruine, ein „kupfernes Beil», welches Fundstück leider verschachert wurde, aber kaum etwas anderes als ein keltischer Streitmeissel gewesen sein kann, und im Jahr 1847 erhob ein Bauer, ebenfalls in der Nähe der Burgtrümmer, beim Ausroden von Baumstrünken, eine bronzene Lanzenspitze mit grüner Patina, welche er leider verarbeitete. Sorgfältige Nachforschungen an dieser höchst merkwürdigen Stelle würden vielleicht ein Mehreres zu Tage fördern und das römisch-helvetische Altertum der Burg in ein noch helleres Licht setzen; denn dieses geht schon aus dem bisher Gefundenen hervor. Allem Anschein nach war die Burg einerseits das äusserste Glied in der Reihe römischer Kastelle, welche sich, nach einer im Obigen ausgesprochenen Ansicht, vom Gürbetal aus durch das Hügelland von Amsoldingen und Umgegend landaufwärts zog. Andererseits bildete dieselbe das äusserste Glied in der Reihe von Burgen, welche, ursprünglich – wie es scheint – von den Römern gegen die Bergvölker und vielleicht zum Teil an der Stelle ihrer Burgen angelegt, in gewissen Distanzen, einzeln oder gruppenweise, sich durch das Siebenthal hinaufzogen, und sich in den Ruinen der auf ihren Plätzen erbauten siebenthalischen Burgen möglicherweise zum Teil sogar erhalten haben.
Strättligen, Gwatt:
Eine ähnliche Bewandtnis hat es wohl auch mit der Nachbarburg Strättligen. Diese liegt, dem sogenannten Bürgli östlich gegenüber, auf der südöstlichen Spitze derjenigen Hügelreihe, welche parallel mit dem Zwieselberg und dem Hügelgelände von Amsoldingen hinter dem Gwatt durchläuft und bei Allmendingen endet. Der mit 18′ dicken Mauern 90′ (150′?) hoch aufgeführte und mit einer 5′ starken Ringmauer umgebene Burgturm von Strättligen, seit 1699 ein Pulverthurm, ist zwar mittelalterlichen Ursprungs (urk. 1175, v. Conr. de Strättligen, 1224 Joh. de Strättligen miles), aber höchst wahrscheinlich an der Stelle und auf dem Unterbau eines römischen Wachturmes errichtet. Gesetzt nämlich auch, man wollte im Namen der Burg eine Beziehung auf das lateinische Strata (via), die doch kaum zu verkennen ist, nicht anerkennen, so ist es doch klar, dass die seeaufwärts fast in gleichen Distanzen angelegten Burgen: Spiez, Krattigen, Leissigen und Weissenau, mit der Burg Strättligen, welche diese Reihe landabwärts schliesst, ein System von Landes- und Strassenbefestigung darstellen, wie es nur von den Römern ausgebildet worden sein kann. Man hat sich nämlich diese Burgen, wie auch die siebenthalischen, von den Römern bald nach der Okkupation des Landes zu dem Zwecke angelegt zu denken, dass sie die bezwungenen Bergbewohner im Zaum halten und als Strassenkastelle die Wege, an welchen sie lagen, sichern sollten. Später, beim Verfall des Reiches, mögen dieselben restauriert worden sein und ebensoviele Anhaltspunkte zur Landesverteidigung abgegeben haben. Die Seestrasse wird man übrigens teils mit Thun, teils mit Allmendingen, Heidbühl usw. landabwärts verbinden müssen.
Uralten Anbau der nächsten Umgegend beweisen Fundstücke, welche Gwatt, die Einigen-Allmend und Einigen geliefert haben. Im Jahr 1842 fand man bei Anlegung der neuen Spiez-Gwatt-Strasse, zunächst beim Dorfe Gwatt (urk. 1404, Watt – von Vackum, das ist: Seeboden), einen bronzenen Streitmeissel von ungewöhnlicher Grösse, mit der schönsten braunen Patina. Unterirdische Gänge, die beim Gwatt vorkommen sollen, mögen aus sehr alten Zeiten herrühren.
Gewiss ist es, dass oberhalb der Gegend zwischen Schorren und Gwatt, hoch oben an der Strättliger-Hügelreihe, eine alte Mine unter dem Namen „das Bergknappenloch» vorkommt. Ein am Gwatt aufgefundenes Fragment einer Matrize zu einem Tonbildwerk in Relief zeigt in allegorischer Darstellung eine Knabengestalt mit allerlei Attributen und Nebenfiguren, und erinnert, wenn gleich nicht selbst antik, doch durch die treffliche Arbeit an antike Bildnerei.
Einigen:
Zwischen Einigen und Gwatt, unterhalb des Strättligen-Turmes, sind bei Anlegung der neuen Frutigen-Strasse, rechter Hand am Strassenbord, Reihengräber entdeckt worden, welche eine Anzahl grosser, elastischer Schenkelringe aus Bronze geliefert haben. Auf der Einigen-Allmend ist 1847 in einem Acker, genannt im Niedli, 4′ tief im Boden, unter Gestein, eine sehr schön erhaltene, braun patinierte Lanzenspitze, 6″, 16″ lang, erhoben worden. Der Schaftansatz der Lanze ist mit sieben gleich weit voneinander abstehenden Disken und einem achten isolierten verziert. Zu beiden Seiten des Schaftloches befindet sich ein kleines, rundes Loch zum Einlassen von Nietnägeln, welche die Lanze an den Schaft befestigten. Einen bronzenen Dolch hat man 1818 zu Einigen selbst gefunden.
Altertümlich bemerkenswert sind einige Lokalitäten zu Einigen und in der Umgegend. Die Höfe im Teller und im Schwarzenteller haben ihren Namen ohne Zweifel von daselbst ausgegrabener antiker Töpferware erhalten. In der Häusergruppe im Ghey, zwischen Einigen und Spiez, befindet sich ein uraltes Haus, mit sehr auffälligem, starken Steinbau, welches das Heidenhaus heisst. Hier mündet ein unterirdischer Gang aus, der nach bestimmten Anzeigen vom Strättligen-Turm hinweg unter der Erde durchläuft.
Unfern vom Ghey liegt in einem Eichwäldchen am Seeufer ein ansehnlicher Erdhügel, der allem Anschein nach ein Grabhügel ist. Beurkunden diese Lokalitäten und jene bronzenen Fundstücke das keltisch-helvetische Altertum dieser Gegend, so vergegenwärtigen ihrerseits das fränkische zwei eiserne Streitbeile von der Form der Franziska, welche vor einigen Jahren auf der Einigen-Allmend ausgegraben worden sind. In Übereinstimmung mit diesen Funden verbürgt den sehr frühen Anbau des fruchtbaren und quellenreichen Terrassengeländes von Einigen und Strättligen die von der sonst fabelhaften Einigen- oder Strättligen-Chronik überlieferte Sage, dass dasselbe schon von den Heiden angebaut und seiner Fruchtbarkeit wegen zur goldenen Lust, wie später im Paradies, benannt worden sei. Nach jener alten, deutschen, aber aus einer lateinischen Mönchsschrift übersetzten Chronik, deren Verfasser oder Übersetzer ein gewisser Eulogius Kyburger, „Kilchherr des Paradieses St. Michels» um das Jahr 1450 gewesen ist, soll die dem Erzengel Michael geweihte Kirche „im Paradies am Wendelsee», das ist: zu Einigen am Thunersee, bereits im Jahr 222 durch Arnold von Strättligen gestiftet, und deren Stiftung im Jahr 533, da sie bereits zwölf Filiale hatte, durch den Bischof von Lausanne und den Papst bestätigt worden sein. Obschon nun diese Daten ohnstreitig arge Anachronismen enthalten, so kann doch mit Gewissheit angenommen werden, dass die Kirche zu Einigen (urk. 1228, Zeinigen, das ist: z’Einigen, zu Einigen, 1356 Zeinigen) die älteste Kirche des Oberlandes und die Mutter vieler benachbarten Kirchen sei, zumal da die Bauart derselben, namentlich des Chors, uralt und in der Art der ältesten Kirchen basilikenmässig ist. Dieses aber und der Umstand, dass die St. Michaels-Kapellen und Kirchen zu den ältesten gehören, lässt auf eine vormittelalterliche, vielleicht ebenfalls religiöse Bedeutsamkeit ihres Bodens zurückschliessen, zumal da Mercurius oft in St. Michael verwandelt worden ist. Übrigens ist, nach Aussage der Leute des Ortes, der Boden ringsum nicht ein natürlicher, sondern verrät uralten Anbau.
Spiez:
Das schön gelegene Seevorgebirge von Spiez, welcher Ort als Spiez mit einer Kirche (basilica) urkundlich neben Scherzligen schon 763 vorkommt (vgl. 1228 Spiez; eine Urkunde von 662, welche man auf Spiez beziehen wollte, bezieht sich auf dasselbe nicht, ist übrigens echt) und im Mittelalter ein Städtchen war, scheint schon in der keltisch-helvetischen Zeit bewohnt gewesen zu sein; wenigstens hat man hier 1843 bei Erbauung der neuen Gwatt-Spiez-Strasse eine keltische Grabstätte entdeckt, aus welcher ein ausgezeichnet dicker Schädel und ein bronzenes Degengehänge erhoben wurde. Auf militärische Ansiedlung der Römer lassen die urkundlichen Namen einiger Rebbezirke: Ober- und Unter-Kastel, schliessen. Als ein Glied in der Kette von Befestigungen am linken Seeufer scheint von den Römern ein starker, runder Turm erbaut worden zu sein, der mit einer daran gelehnten Mauer unterhalb des Pfarrhauses, zuäusserst auf dem Tuffhügel von Spiez steht und das Gepräge des höchsten Altertums trägt. Chroniksagen lassen ihn, sehr unwahrscheinlich, von den Wandalen oder zum Schutz gegen Attila erbaut worden sein. Der Hauptturm des ziemlich modernisierten Schlosses verrät, obgleich neueren Ursprungs, durch seine Buckelstein-Bauart ebenfalls hohes Altertum; auch soll er von Rudolf I. von Strättligen erbaut worden sein. Frühen Anbau der Gegend lässt übrigens schon der Umstand vermuten, dass die strättlingische Herrschaft Spiez im Mittelalter der goldene Hof hiess (urk. 1241 virilous de Spiez). Bei dem innigen Zusammenhang, in welchem geistliche Stiftungen des frühen Mittelalters mit der vormittelalterlichen Zeit stehen, ist nicht zu übersehen die urkundlich 1453 schon als baufällig erwähnte (capella b. Columbi – quae quasi venit ad ruinam), jetzt in Ruin liegende Kapelle zu Faulensee, welche, dem h. Columbanus geweiht, nach der Sage von diesem irischen Heidenbekehrer gestiftet worden sei, der zu Anfang des siebenten Jahrhunderts lebte.
Im Mittelalter ist sie ein bedeutender Wallfahrtsort gewesen, und ihr Andenken hat sich in dem Namen eines nahen, St. Colombes benannten Hauses erhalten. Von dem Vorhandensein heidnischer Grabstätten wollte man den Namen einer oberhalb Aeschi (als Pfarrort angeblich schon 1222 genannt, urk. 1228 Aeschlen, 1292 Aeschlen, sonst auch Schönenbühl) gelegenen Alp, welche auf Greberen heisst, abgeleitet wissen. Es sind aber dort bei einer antiquarischen Recognoscirung wenigstens keine Grabhügel ausfindig gemacht worden. Da aber die aussichtsreiche Höhe von Aeschi und namentlich das Vorgebirge der Greberen-Alp zu einer Ansiedlung von kelto-helvetischen Bergbewohnern sich trefflich eignete, so verdient die Angabe von dortigen Landleuten, dass in der Umgegend von Aeschi sogenannte Heidengräber vorkommen, immerhin beachtet zu werden, da diese Gräber kaum den ausserhalb des Kirchhofes bestatteten Opfern der Pest von 1669 angehören werden. Die Kirche von Aeschi, eine Mutterkirche, soll Königin Bertha gestiftet haben.
Krattigen:
Am Seegestade selbst folgte auf die Burg Spiez, eine Stunde von derselben entfernt und eine Viertelstunde vom Dorfe Krattigen auf einem Hügel gelegen, die längst in Ruinen zerfallene Burg von Krattigen, von welcher die unadeligen von Krattigen in Bern (urk. 1294 Dir. de Krattigen, 1312 Folignnes de Krattigen) sich kaum hergeschrieben; sie scheint ursprünglich von den Römern im gleichen Sinne, wie Spiez und Strättligen, angelegt worden zu sein. Das Gleiche gilt von der längst verschwundenen Burg Leissigen, dem Stammhause der Edeln des Ortes (urk. 1301 Wernher von Leissigen), dessen Kirche, wie die von Aeschi, angeblich 1222 genannt wird, und schon im zehnten Jahrhundert unter der burgundischen Herrschaft soll gestiftet worden sein. Bemerkenswert ist es, dass bergaufwärts von Leissigen, wo ein Hof mit Namen Fritzenbach sich befindet, im Mittelalter ein nicht unbedeutendes gleichnamiges Dorf, urkundlich noch 1344, gestanden hat.
Gleichen Ursprung, wie die vorbemerkten Burgen, hatte wohl auch die Tiefburg Weissenau (1298 Castrum de Weissenowe, und öfters die Mark Wissenau), welche zuoberst am linken Seeufer, beim Einfluss der Aare in den See, auf einer flachen, morastigen Landzunge angelegt, eine sehr feste Lage hatte, und jetzt bis auf einen viereckigen Turm und ein weites Gehöfte in Trümmern liegt, im Mittelalter aber ein Besitz der Herren von Weissenburg gewesen ist, von welchen Rudolf gegen Ende des dreizehnten Jahrhunderts diese Burg nicht so sehr, wie man meinte, erbaut hat, als vielmehr restauriert und nach seinem Geschlecht, wie nach der Ortslage, benannt haben wird.
Im Jahr 1843 sind bei Anlegung der neuen Oberland-Seestrasse von Spiez nach Weissenau, in der Nähe von Därligen, zwei bronzene Dolche und ein 8″ langes, zweischneidiges Schwert von Bronze gefunden worden, welche Waffenstücke ohne Zweifel dem keltisch-helvetischen Altertum angehören und das uralte Bewohntsein dieses Uferstrichs beweisen. Dieses geht auch aus dem Ortsnamen hervor, welcher in seiner älteren und urkundlichen Fassung: Tedlingen (1334 und 1430), vom keltischen «ted ling elli», Uferverbindung, herstammt, wie denn ähnliche Ortsnamen bei alten Wasserübergängen öfters vorkommen. Noch jetzt ist Därligen der Hauptaufenthalt von Schiffern am Thunersee und die Hauptschiffswerfte für denselben.
Bemerkenswert ist seeaufwärts von Därligen der sogenannte Teufels-Karrweg oder Fahrweg, eine wunderlich quer hinanlaufende Felsenschicht, mit zwei tiefen Einschnitten, gleich Radegeleisen. Der Teufel, meldet die Sage, mit Pfaffen und Nonnen zu Interlaken im freundlichsten Einvernehmen, habe die einen und die anderen oft in der Kutsche hier durch auf den Gipfel des Berges, oder auf die Sulegg geführt und droben blocköberische Tänze und Feste gehalten. Nach dieser ziemlich modernisierten Sage scheint die Lokalität eine heidnisch-altertümliche Bedeutung gehabt zu haben; denn die Vorstellung des Teufels, als Repräsentanten des Heidentums, knüpfte sich im Mittelalter vorzüglich an auffallende und grosse Kunstwerke der heidnischen Zeit, aber auch an Naturwerke, welche im heidnischen Altertum Gegenstand eines religiösen Kults gewesen waren.
Ehe wir nun in die Täler, welche gegen das linke Ufer des Thunersees auslaufen, nämlich in das Simmental und Frutigental vordringen, wollen wir hier, von Thun ausgehend, gleich das Gelände am rechten Seeufer einfügen, um sodann jene Täler, weiter aber das eigentliche Oberland folgen zu lassen.
Thun, Zentrum:
Thun verrät durch seinen Namen keltisch-helvetischen Ursprung. Da in einer vom Chronisten Fredegar überlieferten Nachricht vom Ende des sechsten Jahrhunderts der Thunersee Isous Vunonsis genannt wird, so muss Thun in der römischen Zeit Vunum geheissen haben, wie es auch in Urkunden bisweilen unter diesem Namen erscheint, z. B. in einer von 1250. Dies ist aber das romanisierte keltische Wort Vun, das ist: Hügel, welches rein erhalten, oder als Vunum romanisiert, in allen von Kelten bewohnten Ländern sehr oft als Endsilbe von Ortsnamen vorkommt, die Ansiedlungen auf Hügeln bezeichnen. Umso sicherer ist also der altkeltische Ursprung des einfachen Ortsnamens: Vun, Vunum, Thun, anzunehmen.
Derselbe beweist zugleich, dass die Stadt in ihrer Uranlage vorzugsweise auf dem Schlosshügel gebaut war, wie überhaupt die meisten Städte des Altertums, der Sicherheit wegen, auf Hügeln angelegt worden sind. Der Burghügel von Thun musste in der Tat den Kelto-Helvetiern zu einer Ansiedlung umso passender erscheinen, da er unterhalb des Ausflusses eines schiffbaren und fischreichen Sees an einem ebenfalls schiffbaren Fluss liegt und die Fläche der fruchtbaren Ebenen beherrscht, welche unten am linken Seeufer und zu beiden Seiten des Flusses sich ausdehnen.
Überbleibsel des keltischen Altertums sind nun zwar bisher, soweit man weiss, im Areal des heutigen Thuns nicht gefunden worden. Dagegen liefert solche sowohl die nächste Umgebung, als auch das Gelände des Sees an beiden Ufern desselben. Indem wir in Bezug auf das linke Seeufer auf das Frühere, in Bezug aber auf das rechte auf das unten Folgende verweisen, wollen wir einige Spuren keltischen Altertums aus der nächsten Umgebung von Thun anführen. Beim Landgut zum Schönenbühl, oder Schönbühl, nächst der Stadt Thun an der Bernstrasse, stiess man 1844 bei tieferem Pflügen in der Hausmatte, im Lettenboden unter der Äckeroberfläche, auf einen weissen Granitblock. Beim Umgraben und Ausgraben desselben zeigte es sich, dass er ungefähr die Form eines Mühlsteins hatte, 7½ bis 8½‘ im Durchmesser hielt und gegen 4′ dick war. Die Randflächen schienen roh abgespalten, und von Merkmalen einer Bearbeitung durch Werkzeuge war nichts zu finden. Die ziemlich ebene Oberfläche war bis 3″ hinein mürbe gebrannt; rings um den Stein war eine ungefähr 2½‘ mächtige Holzkohlenschicht. Er lag in gerader Richtung zwischen zwei Nagelfluh-Hügelchen, fast im Meridian, und zwar die Oberfläche in einer nach Süden geneigten Stellung. Die Rundform des Steines, die Feuerspuren an demselben und diese seine Lage und Stellung lassen nicht zweifeln, dass derselbe in der keltisch-helvetischen Zeit als Opferstein beim Sonnenkult gedient habe.
Früher, im Jahr 1837, hatte man in einer an das Schönbühlgut anstossenden Matte, beim Graben eines Sodes, einige Schuh unter der Oberfläche, einen 6″ langen, bronzenen Streitmeissel gefunden, der in der Mitte verschmälert und mit Schaftlappen versehen, hinten einen Einschnitt zum Einlassen des Widerstandnagels hat. In der Dorfhalten oberhalb des Schwandenbad-Gässleins, eine Viertelstunde nördlich von Thun, fand man im Jahr 1842, beim Graben einer Brunnenleitung, einen grossen bronzenen Streitmeissel.
Die feste und in jeder Beziehung vorteilhafte Lage der keltisch-helvetischen Ansiedlung auf dem Burghügel von Thun musste später auch die Römer veranlassen, hier, wie in allen bedeutenden Wohnplätzen der Eingeborenen, sich militärisch und bürgerlich anzusiedeln. Auch findet man, wenn gleich nicht auf dem Burghügel selbst, doch in seiner nächsten Umgebung genügsame Spuren ihres Aufenthalts, nicht zu erwähnen die am linken See- und Aarufer nachgewiesenen römischen Altertumsspuren. Der Teil der Stadt Thun, der auf der rechten Seite der Aare liegt, muss bereits unter den Römern ein befestigter und mit einem Graben umgebener Ort gewesen sein.
Der jetzige Stadtgraben erstreckt sich vom Bernthor nur noch etwa sechzig Schritte nördlich gegen den Schlosshügel und hört dann auf. Nun wurden von da bis nahe zum Burgthor, nämlich bis da, wo der Weg zu diesem Thor zu steigen anfängt, vor mehreren Jahren, zuerst hinter dem Schloss am Fuss des Hügels, beim Graben eines Ziehbrunnens, in einer Tiefe von 15′, grosse römische Ziegel und ein Gefäss von rotem Ton in der Grösse einer Viertel-Mass, und etwas später, weiter oben, hinter dem Kirchhof, beim Graben eines anderen Ziehbrunnens, ein Boden von Eichholz, Stücke von grossen Ziegeln und rot gebrannten Gefässen in einer Tiefe von 25′ aufgefunden und ebendaselbst beim Graben eines Kellers, 16′ tief, die alte Grabenmauer, oben 3′ dick und noch sehr gut erhalten, entdeckt, so dass als sicher angenommen werden kann, dass sich der Stadtgraben schon zur Zeit der Römer von der Aare beim Lowinthor bis wieder an die Aare beim jetzigen Schwebisthor erstreckte. Ein Teil dieses Grabens wurde aber durch ein zerstörendes Naturereignis verschüttet, das in der nächsten Umgebung des Ortes stattfand.
Es riss sich nämlich ein beträchtliches Stück des nordöstlich hinter Thun gelegenen Grüsiberges los, überschüttete als Erdlawine die ganze Gegend zwischen besagtem Berge und Burghügel und füllte den Stadtgraben aus. Wann dieser Erdsturz stattgefunden hat, ist ungewiss; wahrscheinlich geht er in die Zeit der hiesigen römischen Ansiedlung hinauf; jedenfalls muss sein Datum ein frühes sein, da keine Urkunde, kein Chronikschreiber Bericht darüber gibt; die vollständigste Überzeugung davon gewährt aber einerseits die abgerissene Fluh und die abgedachte Lage der Gegend, andererseits die mündliche, wie die schriftliche Überlieferung. Die Gegend, wo der Erdsturz stattfand, heisst nämlich schon in den frühesten Urkunden die Lowine und das Thor der Stadt, das dahin führte, das Lowinthor. Den einstigen Bestand einer hiesigen römischen Niederlassung bezeugen ausser den angeführten Altertumsresten römische Münzen, die sowohl in der Stadt selbst, als in ihrer nächsten Umgebung gefunden worden sind.
Hierher gehören folgende Münzen: ein Cäsar in Silber, wohlerhalten und 1841, wenige Schritte vor dem Bernthor, in altem, vermutlich römischen Schutt, gefunden; in Kupfer: ein Cäsar Augustus (RS. Salvius Otho IIIvir); ein Domitianus Augustus (RS. Fortuna Augusti), in der Stadt selbst in einem Garten an der Hinteren Gasse bei altem Gemäuer gefunden; ein Antoninus Pius (RS. Vota Suscepta Decennalia Tertio); ein Imperator Caesar Lucius Aurelius Verus Augustus (RS. Fortuna Redux); in Silber: ein Philippus Caesar (RS. Iovi Conservatori); ein Licinius Valerianus Imp. (RS. Salus Augustorum); in Kupfer: ein Claudius Gothicus (RS. Consecratio Aeternitas), am gleichen Orte wie die Münze des Domitianus gefunden; ferner: ein Imperator Diocletianus (RS. Genio Populi Romani); ein Crispus Nobilissimus Caesar (RS. Vota Decennalia Omnium Annorum in Corona); zwei Constantinus Junior (RS. des Einen: Gloria Exercitus, des Andern: Felix Temporum Reparatio).
Aus dem Anfang dieser Münzserie erhellt, dass schon zu Cäsars Zeiten die hiesige römische Niederlassung ihren Anfang genommen hat; wahrscheinlich geschah dies gleichzeitig mit der Heimkehr der überwundenen Helvetier. Obschon die Burg auf dem Hügel zu Thun aus dem Mittelalter stammt (sie war der alte Stammsitz der gleichnamigen Freiherren, von welchen 1125–1127 Wernher von Thun, 1146 Wernerus de Thun und Udalricus de Thun 1133 erscheint, und wurde um 1190 ein Besitz Berchtolds V. von Zähringen, der sie vergrösserte); so stand doch gewiss schon in der römischen Zeit hier ein Kastell, und es rührt aus derselben der 115′ tiefe Sodbrunnen her. Bei dem grossen germanischen Einfall, der zur Zeit des jüngeren Constantius im Jahr 352 stattgefunden hat, scheint, trotz der Felix Temporum Reparatio, die hiesige Niederlassung, wie die Mehrzahl der römisch-helvetischen Ansiedlungen, untergegangen zu sein.
Jedenfalls gehörte Vunum zu den bedeutenderen römisch-helvetischen Wohnplätzen und Städten, die am Ausfluss schiffbarer und fischreicher Seen liegend, schon von den Kelto-Helvetiern gegründet waren, obschon der Ort, wie so viele andere römisch-helvetische Städte, die nicht an der Heerstrasse lagen, im Itinerarium des Antoninus und auf der theodosianischen Peutinger-Tafel nicht erscheint. Selbst nach der römischen Zeit muss der Ort, wegen seiner vorzüglichen Lage bald wieder aufgebaut, ein nicht unbedeutender gewesen sein, da der benachbarte See im sechsten Jahrhundert nach demselben benannt erscheint. Umso weniger ist es wahrscheinlich, dass der Name Wendelsee oder Wandelsee, welchen der Thunersee in Urkunden des Mittelalters und in der Einigen-Chronik trägt, als lacus Vandalicus auf Ansiedlung der Wandalen (Vandalonen) an demselben zu beziehen sei, von welchen oder von den Nuithonen, einem vorgeblichen Stamme der Burgundionen, man die Erbauung der Stadt herleiten wollte.
Vielmehr ist dem See diese Benennung wegen der Wendung, die er obenher dem Vorgebirge der Nase macht, gegeben worden. Die Verwandtschaft der Nuithonen mit den Burgundionen und ihre Ansiedlung in der westlichen Schweiz ist eine schon von Guillimann angezweifelte und sogar verworfene Erfindung des Nhenanus, der damit den Namen Nuitland, Nüchtland, zu erklären suchte, welcher einem Teil der westlichen Schweiz, nämlich dem freiburgischen und bernischen, in Chroniken irrtümlich gegeben wird. Jener Name lautet aber urkundlich Oechtland (z. B. 1275), Uechtland, und bezeichnet nicht etwa ein ödes, morastiges Land, sondern kommt vom altdeutschen «Ocht», d. i. der Morgen; er bezeichnete nämlich den Burgundionen den östlichsten Teil ihres Gebietes in der westlichen Schweiz. Was sodann die Wandalen am Thunersee betrifft, so erscheinen zwar die Burgundionen ursprünglich als ein Stamm der Wandalen oder Vindilen; später aber, in der Völkerwanderung, traten die Burgundionen als ein von den Wandalen geschiedenes Volk auf, und es ist somit klar, dass in der westlichen Schweiz keine Wandalen, sondern lediglich Burgundionen zu finden sind. Die Bedeutsamkeit Thuns im frühen Mittelalter scheint übrigens aus der Chroniksage hervorzugehen, nach welcher die Kirche schon 933 von Rudolf II. von Strättligen oder von Bertha, seiner Gemahlin, gestiftet und dem h. Mauritius geweiht worden ist.
Hünibach:
Das aufwärts von Thun gelegene Nachbarörtchen Hünibach verrät durch seinen Namen uralten Anbau; auch stand beim nahen Bächigut eine Burg der von Ried (urk. 1215 Petrus de Ried, 1224 Wernerus de Ried miles), später der Strättliger Besitz. Das nahe, am gleichnamigen Bache gelegene Örtchen Hünibach (urk. 1400 Hünibach) scheint von einer hiesigen vorgermanischen Ansiedlung den Namen erhalten zu haben. In einem sehr alten Landhaus beim Eichbühl (urk. 1428 Egkenbühl, 1434 Aechibühl) fand man vor einigen Jahren beim Ausgraben des Kellers menschliche Gerippe, die mit Kalk bedeckt waren. Es lässt aber sowohl diese Bestattungsweise, als der Mangel an Beigaben eher auf eine christlich-mittelalterliche Grabstätte, als auf eine heidnische schliessen.
Hilterfingen:
Wäre die Angabe glaubwürdig, dass im See bei Hilterfingen (urk. 1318 Hilterfingen) in beträchtlicher Tiefe, bis 26′ tief, Gerätschaften, Waffen und andere Reste der Vorzeit erhoben worden seien, so hätten wir hier Spuren einer alten Ansiedlung, die durch einen Erdsturz von unbekanntem Datum verschüttet worden sein müsste. Allein da diese Angabe aus der gleichen unzuverlässigen Quelle geflossen, wie die unten bei Ralligen zu erwähnende, so ist wahrscheinlich an der ganzen Sache nichts gewesen. Dennoch hat Hilterfingen unstreitig ein hohes Altertum, und die Kirche soll sich als eine Stiftung des burgundischen Königs Rudolf II. von Strättligen aus dem Jahr 933 herschreiben. Nach älteren Notizen hat „im Wittrach oder Wichtrach, in der Kirchhöre Hilterfingen» und zwar inmitten des dortigen Rebgelaendes, eine kleine Halbstunde von der Pfarre entfernt, ein Burgstall sich befunden. Wenn aber diese Angabe nicht auf dem Vorhandensein von Burgtrümmern, sondern, wie es scheint, bloss auf dem Umstand beruht, dass ein in Thun verburgertes Geschlecht sich von diesem Wichtrach herschrieb (z. B. 1318 Ulricus de Wichtrach), so entbehrt dieselbe jeglichen Grundes. Mit gleichem Fug könnte man Burgställe zu Merligen, zu Schorren, Einigen und an vielen anderen Orten ansetzen, da Geschlechter, die sich nach denselben schrieben, in Urkunden als zu Thun verburgert oder sonst vorkommen, ohne dass eine Spur ihres Adels, geschweige denn von Burgställen derselben zu finden ist.
Oberhofen lässt die Chroniksage 428 durch Nuithonen erbaut worden sein. Obschon es nun mit den Nuithonen in der Schweiz nichts ist, so ist doch Oberhofen unzweifelhaft eine uralte germanische Ansiedlung, was auf eine frühere Bedeutung des Ortes in der römisch-helvetischen Zeit schliessen lässt, zumal wir in seiner Nähe sogar Spuren von althelvetischer Ansiedlung wahrnehmen. Beachtenswert ist deswegen die Stelle der alten Burg, welche über dem Schlosse auf einem am Bergabhang vorspringenden Hügel stand und 1568 in ihren Trümmern noch sichtbar gewesen ist (urk. 1133 Seliger oder Seliger von Oberhofen und Ried, 1175 Wernerius de Oberhofen). Auf dem Hügel heisst noch jetzt eine Gegend die Balme, unter welchem keltischen Namen die Burg neben der von Oberhofen auch urkundlich, z. B. 1318, vorkommt, und der steile Abhang gegen das Dorf hinunter heisst die Burghalde. Der Name der Burg lässt auf ein ursprünglich kelto-helvetisches Kastell schliessen, welches später die Römer benutzt haben mögen. Neueren Ursprungs, obschon sehr alt, ist der gewaltige gotische Bau des Schlossturmes von Oberhofen.
Ringoldswil, Sigriswil:
Merkwürdige Überreste keltisch-helvetischer Kultur entdeckte man 1840 bei dem hoch oberhalb Oberhofen gelegenen Bergdörfchen Ringolzwyl (urk. 1318 Ringolzwyl), als ein Kalkstein-Findling abgesprengt wurde, der ganz isoliert und ohne Spur von Bearbeitung durch Menschenhand in der Grösse eines kleinen Hauses, an einem Bergabhang seitwärts vom Dorfe aufgelagert war. Man fand nämlich auf einem Absatz desselben, 2′ tief unter der Erde, womit hier die Oberfläche des Felsens bedeckt war, folgende zerstreut liegende bronzene Waffenstücke: zwei Spitzen von Wurfspiessen verschiedener Form und Grösse, zwei Dolche und neun Streitmeissel, oder nach einer späteren, vollständigeren und richtigeren Angabe: die Spitze eines Wurfspiesses, einen Dolch, zwei Spitzen von Wurfpfeilen und zwölf oder gar vierzehn in Grösse und Form verschiedenartige Streitmeissel, unter diesen einen noch im Guss rohen und unverarbeiteten. Was von Ornamenten an diesen Fundstücken vorkommt, besteht in punziertem Strichwerk von spitzwinkligen Parallelen.
Nachgehends, 1846, am Fundort angestellte Nachgrabungen haben ermittelt, dass rückwärts von dem abgesprengten erratischen Blocke, auf seinem noch übriggebliebenen Teil, unter der denselben bedeckenden Erde, in gleicher Tiefe eine Schicht von kohlen- und aschenhaltiger Erde liegt, die mit Resten von altkeltischer Töpferware und mit Steinbild-Schnitzwerk angefüllt ist. Noch weiter rückwärts liegt ein längliches Hügelchen, welches Menschenhand verrät, und seitwärts am Abhang unterhalb des Dorfes ist der Boden terrassenförmig abgestuft. Allem Anschein nach befand sich hier schon in der althelvetischen Zeit ein Bergdorf, und der Fundort ist höchst wahrscheinlich ein Opferplatz gewesen. Nach Beobachtungen, die wir teils schon angeführt haben, teils noch erwähnen werden, pflegte nämlich der Kelte Felsblöcke sowohl selbst zu verehren, als auch solche sich zu Kultstätten auszusuchen. Sodann ist es bekannt, dass Gegenstände, die beim Opfern gebraucht worden waren, nach altertümlicher Sitte dem menschlichen Gebrauche entzogen und mit Erde oder mit Steinen bedeckt wurden. Da nun obgenannte Waffenstücke mit jenen Feuerspuren, Gefässscherben und Steinbildchen in gleicher Tiefe lagen und, wie es der Augenschein zeigte, vergraben worden waren; so ist es klar, dass die Bronzen Votivgegenstände sind und die hinzukommenden Feuerspuren, Gefässscherben und Steinbildchen aus Vorgängen von Opfern herrühren. Aus dem einzigen im Guss rohen Streitmeissel lässt sich schon deswegen nicht auf eine Giessstätte schliessen, weil die grosse Verschiedenheit der übrigen Bronzen dagegen streitet.
Unfern vom Seeufer unterhalb Sigriswil (urk. 1226 Sigriswil) liegt ein Hügel, der sich auf drei Seiten als eine hohe Schanze darstellt, und dessen Gestalt in der Tat zum Teil Menschenwerk verrät; auch heisst er „der Kastei.» Es ist kaum daran zu zweifeln, dass dieser Hügel in der frühesten römisch-helvetischen Zeit zu einem Kastell gestaltet worden ist, welches die Bergbewohner im Zaum zu halten bestimmt war. Die mittelalterliche Burg von Sigriswil (urk. 1226 Morillerus de Sigriswil) scheint ebenfalls aus dem System römischer Burgen des Seegeländes herzurühren. Dagegen ist es sehr unwahrscheinlich, dass bereits die Römer das Gelände, welches sich von Thun aufwärts, an der Sonnenseite des Sees, bis gegen Merligen hin ausdehnt, mit Reben bepflanzt haben. Die Kirche von Sigriswil soll, wie die meisten am Thunersee, König Rudolf II. von Strättligen gegründet haben.
Ralligen, «Roll»:
Hinter Ralligen am Berg, in der sogenannten Einöde, ist nach der Sage in der Vorzeit eine Stadt, namens Roll, gestanden, aber durch einen Bergsturz verschüttet worden. Nach einer Angabe hat man hier, wie zu Hilterfingen, alte Geräte und Waffen in einer Tiefe von 20′ im See entdeckt; nach einer anderen Angabe sind hier wenigstens eiserne Werkzeuge unter einem Felsblock am Seeufer gefunden worden. Allein, wie wir von sicherer Hand vernommen, beide Angaben beruhen auf der unkritischen Annahme eines lügenhaft übertriebenen Berichtes vom Auffinden einiger ganz modernen Geräte. Dennoch ist das Faktum eines hier stattgefundenen Bergsturzes unleugbar, und die Stelle des Bergsturzes ist, obgleich grösstenteils mit Tannwald überwachsen, an dem wilden Steingeröll noch deutlich erkennbar. Auch das von der Sage überlieferte Faktum der durch den Bergsturz bewirkten Verschüttung eines Ortes ist kaum zu bezweifeln.
Beatenberg:
Bei der volkstümlich das Beatenloch genannten Beatenhöhle, welche eine gute Strecke unterhalb des Pfarrdorfes Beatenberg (urk. 1263) in der Felswand des gleichnamigen Berges liegt, sind 1825 römische Münzen gefunden worden, die aber meistens vom Rost zerfressen und unkenntlich waren. Unwahrscheinlich genug hat man gemutmasst, dieselben seien vielleicht durch Zufall dahin geraten, indem sie etwa von Solchen, die zu diesem einst so berühmten Wallfahrtsort (urk. 1439 St. Beaten) pilgerten, verschleppt worden. Allein selbst der Umstand, dass dieser so abgelegene Ort einer solchen Berühmtheit schon im frühen Mittelalter genoss, deutet auf eine altertümliche Bedeutung desselben zurück, und wenn wir auch nicht die Legende vom h. Beat, dem aus England gebürtigen schweizerischen Apostel, nach ihrem Wortlaut annehmen können (bekanntlich hat ein Halbgelehrter viele Ausschmückungen hinzugefügt, wonach Beat, ursprünglich Suetonius genannt, und sein Gefährte Achates, unter dem Kaiser Claudius zu Rom bekehrt, im zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung als Apostel in diese Gegend sollen gekommen sein), so geht doch soviel für uns aus derselben hervor, dass im frühen Mittelalter, wahrscheinlich durch einen der vielen britischen Missionäre, von dieser Stätte aus das Evangelium verbreitet worden ist.
Dass vorher ebendaselbst ein heidnischer Kult stattgefunden hatte, scheint in der Legende angedeutet, wenn gesagt ist, der h. Beat habe, bevor er die Höhle bezogen, als ein Ritter Christi mit einem Drachen, der dort hauste und Menschen und Vieh der Umgegend schädigte, einen Kampf bestanden und denselben mit dem heiligen Kreuzeszeichen und mit inbrünstigem Gebet herausgebannt, so dass „der böse Geist» sich in die Lüfte erhoben habe und verschwunden sei. Wahrscheinlich hatte die Höhle schon in der keltisch-helvetischen Zeit zu einer Kultstätte gedient, wie denn die Druiden hauptsächlich in abgelegenen Waldhöhlen ihr Wesen trieben, und als in der römisch-keltischen Zeit der druidisch-keltische Kult sich mit dem Mithrasdienst amalgamierte, mag die Grotte auch zu diesem gedient haben. Trefflich eignete sich für beide Kulte die äusserst merkwürdige, in ihrer Art einzige Doppelgrotte mit ihrer zaubervollen Aussicht, mit der kleinen Wunderwelt von Tropfsteinfiguren in ihrer Wölbung und mit dem aus ihrem geheimnisvollen Felsenschoss hervorspringenden Quellbache, welcher vorn unter dem grössten Bogen des Gewölbes in einem steinernen Becken sich sammelt, um von da bergabwärts sich in den See zu stürzen. Die Bedeutsamkeit des Ortes im keltisch-helvetischen Altertum scheint auch aus dem Umstand hervorzugehen, dass der Wald bei der Beatenhöhle das Balmholz heisst. Es ist nämlich das Wort „Balm» ein keltisches, welches eine Höhle bezeichnet und sich als ein Rest keltischer Sprache auch bei uns, besonders im Gebirgsland, erhalten hat.
Was von Altertumsresten hier noch bemerkbar ist, beschränkt sich auf Folgendes. Unterhalb der Höhle, in der Richtung von Merligen, liegt der sogenannte Rossstall, ein von Menschenhand grösstenteils in den Felsen gehauener, oberwärts jedoch unbedeckter Raum für die Saumtiere der einst in Scharen herbeiströmenden Pilger. Dabei liegen im Wald überwachsene Reste von Gebäulichkeiten, welche von der Pilgerherberge usw. herrühren sollen. Weiter sieht man Überreste eines gemauerten Pfades, der zur Höhle hinanführte, und die steinernen Widerlager eines Bogens über den Bach, wo dieser aus der Höhle kommt, verraten fleissige Anbauung, zu der auch eine in der Höhle angebrachte Kapelle gehört haben soll. Überreste derselben sah man noch um die Mitte des vorigen Jahrhunderts. Die Einsiedelei selbst, in der Wölbung der Höhle, ist 1566 wegen des stets fortdauernden Zuzugs von Wallfahrern, mit Quaderstücken vermauert worden; doch ist wieder eingebrochen, und es zeigt sich, dass ihre Länge von vier Klaftern, ihre Breite von sechs, in verschiedene Fächer eingeteilt gewesen. Leicht ist es nach Obigem möglich, dass sich bei näherer Untersuchung Spuren vormittelalterlicher Zeit kundgeben, namentlich bei jenen überwachsenen Gebäulichkeitsresten.
Mit dem h. Beat verbindet die Sage den h. Justus; wie jener ein geborener Brite, soll er oben in dem nach ihm benannten alpenreichen Justistale (urk. 1253 und 1347 Justistal), welches sonst auch Vestis- oder Wüestisthal heisst, das Schafloch bewohnt und von dort das Christentum verbreitet haben. Auch diese Lokalität, eine merkwürdige und sehr tiefe Höhle, deren Eingang ein geräumiges, 46′ breites und 14′ hohes Gewölbe bildet, dürfte eine heidnisch-altertümliche Bedeutung gehabt und früher zur Ausübung eines heidnischen Kults gedient haben, da sich die Verkünder des Christentums in den ältesten Zeiten überall da vorzugsweise aufhielten, wo zuvor das Heidentum vornehmlich sein Wesen getrieben hatte.
Wimmis:
An das Gelände am linken Seeufer anknüpfend, durchgehen wir unter diesen zuerst das Siebenthal (urk. 1175 Septem Valles, sonst auch Simmental und älter Sibenthal; so auch urkundlich Sibne und Simme).
Hier ist zuvörderst die Port- oder Simmenfluh zu erwähnen. Man versteht unter diesem Namen die, eine Viertelstunde vom Brodhäusi, rechts am Eingang des Siebenthals von der Stockhornkette gegen die Simme herab sich erstreckenden wilden Fluh-Abhänge. Auf diesen Flühen nun, in der Nähe einer dortigen namenlosen Burgruine, fand 1847 ein junger Ziegenhirte einen schönen Streitmeissel, und zwar von der besonders in der Schweiz äusserst seltenen Form, mit grossen, über der Hohlkehle beinahe zusammenschlagenden Schaftlappen und einem in der Mitte des linken Seitenrandes angebrachten Öhr. Die Länge dieses Streitmeissels ist von 5″ 6½»; er ist von den schwersten einer. Dieser Fund vergegenwärtigt uns lebhaft das keltisch-helvetische Altertum unseres Hochlandes.
Eine keltisch-helvetische Bergansiedlung scheint der bedeutsame Name des Heiti oder Heidti zu beurkunden, welchen die oberhalb der Simmenfluh, zwischen Reutigen und Erlenbach gelegene Alpengegend trägt. Dagegen stammt wohl aus dem römisch-helvetischen Altertum der Name der Portfluh. Bekannt ist es, dass die Freiherren von Weissenburg das Simmental mit einer Landwehr sperrten, die vom Fuss der Simmenfluh bis an die gegenüberstehende Burgfluh reichte; sie wurde 1334 gleichzeitig mit dem Städtchen Wimmis von den Bernern zerstört; Reste derselben sind bei der Simmenbrücke am Fuss der Simmenfluh noch sichtbar. Wahrscheinlich ist aber diese Landwehr in der letzten Zeit der Römerherrschaft in Helvetien angelegt und durch die von Weissenburg bloss restauriert worden.
Indem wir dasjenige voraussetzen, was über den mutmasslich römischen Ursprung der simmenthalischen Burgen oben angemerkt worden ist, zählen wir hier dieselben auf, in der Reihe, wie sie talaufwärts aufeinander folgen, und schalten dabei seines Orts ein, was sonst von altertümlichen Lokalitäten vorkommt.
Zuerst begegnen wir hier am nördlichen Fusse des Niesens (urk. Jessenberg) der Burg von Wimmis (urk. 1239 Heinrich von Wimmis, Ritter, und 1298 Lostinus de Wimmis), welche im Mittelalter der Sitz der Herren von Wimmis, dann ein Besitz der Freiherren von Weissenburg gewesen ist. Sie war, gleich einem Adlernest, an die schroffe Felswand der sogenannten Burgfluh angebaut, welche, ein vereinzelt in der Thalmündung stehender Felsen, dieselbe fast verschliesst und den Thaleingang zu einem Engpass macht; diesen bewachte überdies die Burg, die in dem gewaltigen Turme des Wimmiser Schlosses zum Teil erhalten ist. Das von den Bernern 1334 zerstörte und früher wiederholt hart mitgenommene mittelalterliche Städtchen Wimmis, dessen Umfang sich auf den Raum des Schlossgartens, der Kirche (urk. 1228 Wimmis), des Kirchhofes und des Pfarrhauses beschränkt haben mag (die alten Schanzgräben sind noch bemerkbar und unter dem Namen Spissi bekannt), erscheint urkundlich schon 995 unter dem Namen Wimmis, welchen Einige auf den einst hier nach Urkunden des zehnten Jahrhunderts betriebenen Weinbau beziehen, während Andere eine Beziehung auf die windige Lage des Ortes darin finden wollen. Noch Andere rücken Wimmis als Vinäsmissa bis ins römisch-helvetische Altertum hinauf. Der Ursprung des Städtchens und der Burg ist so wenig bekannt, als derjenige der übrigen Burgen des Tales. Die Kirche soll 933 von König Rudolf II. von Burgund aus dem Hause Strättligen gestiftet worden sein. Östlich von Wimmis, in der Richtung von Frutigen, glaubt man neulichst einen Grabhügel entdeckt zu haben.
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